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Melanommataceae, Kugelkissenpilze

1 Einfach nur paradox (AP)

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Unaufhörlich fallen Flocken und landen

– Als wollten sie ja niemanden wecken –

Leise, fast lautlos, auf der schneeweißen Decke,

Hüllen alles, was liegt oder steht, wie mit Watte weich ein.

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So zart sie dir scheinen, leicht schaukelnd im Wind,

Biegen sie doch, in Massen versammelt,

Der Latsche[1] Zweige mächtig herab;

Ebnen frei sonst nach allen Richtungen strebende Nadeln,

Zur Enge sie pressend,

Wie mit Scheitel gezogen, nach zwei Seiten ein.

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Nebenan steht noch ein letzter Rest eines längst verbräunten Veratrums[2],

Widerstrebt, schaukelnd im Wind sich immerzu wehrend,

Dem Druck des zunehmend lastenden Schnees,

Höhlt um sich eine Röhre damit;

Gibt Raum der Latsche mitgenommenem Zweig,

Der, kaum entlastet, die Nadeln etwas entwirrt.

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Verdunkelnd zum Schlafen liegt das weiße Plumeau[3],

Richtet die Zwillingstriebe[4] noch ein;

Doch, feine Fäden[5] ziehen von Nadel zu Nadel,

Binden sie in schwärzlich braunes Gespinst[6],

Halten sie wieder in Enge zusammen.

Kurz nur war ihre Zeit, der Freiheit zu frönen.

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Zu feinen Knäueln verdichten sich

Diese Fäden entlang der Nadeln unteren Seite,

In oder über den Höhlen[7] zum

Austausch der Gase;

Leben, den Zweigen nehmen sie nichts,

Von dem, was die Latsche freiwillig gibt.

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Bald aber wird ihnen zu spärlich die Nahrung.

Treiben Senker[8] in Zellen der äußeren Schicht[9],

Holen, die Latsche kann sich nicht wehren,

Zu eigenem Vorteil, was die Angebohrte besitzt.

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Duldsam scheinen die Nadeln,

Bewahren, zwar bedeckt durch die düstere Hülle,

Ihr immer noch hoffendes Grün –

Vergebens!

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Schon dringen, den Knäueln entspringend,

Hyphen tief in sie ein,

Zerlegen, zersetzen alles, was der Latsche so lieb!

Freudige Farben verfallen zu Braun. –

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Als endlich die Sonne die glänzende Decke entfernt,

Ragen schwärzliche Platten

– Nichts zu erkennen aus der Ferne von Nadeln –

Frei in die Luft.

Ein nicht zu lösendes Rätsel bleibt dem Wanderer dies.

Schwarzer Schneeschimmel[10] heißt dieser düstere Schuft.

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Fußnoten

[1] Latsche: Pinus mugo, eine Kiefer mit zwei Nadeln pro Büschel (Pinineae – Pinales – Conifera – Coniferopsida – Spermatophytina – …)

[2] Veratrum album: Weißer Germer (Melanthiaceae – Liliales – Liliidae – Dicotyle s.l. – Magnoliatae -…)

[3] Plumeau: Federbett, Federdecke

[4] Doppelnadeln; Pinus mugo gehört zu den zweinadligen Kiefern, die an einem Kurztrieb zwei Nadeln tragen

[5 ]Hyphen: Einzellreihige, zellwandumgebene Fäden von Pilzen mit Spitzenwachstum, mit oder ohne Querwände

[6] Herpotrichia juniperi: Schwarzer Schneeschimmel (Melanommataceae – Pleosporales – Dothidiomycetes – Bitunicate Ascomycota – Inoperculate Ascomycota –…)

[7] Spaltöffnungen: Spaltförmige Öffnungen in der Epidermis des Blatts/Stengels zum Gasaustausch (O2, CO2) und zur Abgabe von Wasser (Transpiration)

[8] Haustorien, Senker (Pilze): Spezielle seitliche Ausstülpungen von Hyphen, die in Zellen fremder Organismen eindringen, dabei aber nicht direkten Kontakt zum Protoplasten bekommen, bleibt doch die Zellmembran der Wirtszellen erhalten; sie vergrößert sich hingegen, um den voluminöser werdenden Eindringling zu umhüllen, es werden zudem Zellwandmoleküle des Wirts dazwischen abgelagert, die allerdings unter dem Einfluss des Parasiten dünnschichtig bleiben und sich nicht, wie für eine Zellwand typisch wäre, geregelt ordnen. Über diese Haustorien werden Substanzen dem Protoplasten entnommen.

[9] Epidermis: Äußerste, einzelllagige Schicht von Blättern, Stengel und Blütenorganen; bei Wurzeln wird sie Rhizodermis genannt

[10] Schwarzer Schneeschimmel: Herpotrichia juniperi (Melanommataceae – Pleosporales – Dothidiomycetes – Bitunicate Ascomycota – Inoperculate Ascomycota –…)

Eingestellt am 15. März 2025

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Herpotrichia juniperi, Schwarzer Schneeschimmelan Ästen von Pinus mugo, Latsche (Originale, Reinhard Agerer)

Links: Übersichtsbild mit normal stehenden, noch grünen Nadeln und durch Herpotrichia eingeebnet gebündelte Nadeln.

Rechts: Aufsicht auf schwarzverklebte Nadeln.

Eingestellt am 15. März 2025

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Melanommataceae, Kugelkissenpilze

2 Fürs Extreme geboren (AP)

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Wird die Luft wieder wärmer,

Trocknet der Schimmel[1] zum Sommerschlaf aus;

Dann fallen Nadeln, zusammen mit schwarzflächigen Zweigen

Von ihrer Latsche[2], sie will sich befreien, kurzerhand ab.

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Warten auf sachte Bedeckung mit Schnee,

– Doch wer will ihnen dieses schon gönnen?

Vielleicht der Naturfreund, der alles liebt, was lebt. –

Denn Herpotrichia[3] will zeigen, was sexuell sie kann.

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Hohe Luftfeuchte braucht sie von Beginn bis zum Ende des Lebens;

Neunzig Prozent, gern etwas mehr,

Bekommt aber nur sie in Höhlen des Schnees.

Schert sich wegen der Kälte gewiss keinen Deut:

Aktiviert Enzyme schon leicht unter Null[4],

Bei fünfzehn Grad wird's ihr zu warm.

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Nutzt Feuchte und Kühle für ihres Lebens wichtigsten Schritt,

Tüftelt und formt an Knäueln[5] herum,

Bis sie von Schnee endlich befreit

Und Latschen ergrünen zuhauf.

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Ein Schuss nach dem andern, der Wind sorgt für Treffer!

Feine Fäden[6] umspinnen die Nadeln, solange die Witterung hält.

Bescheidenheit ist ihre Zier,

Zumindest bis Schnee sie bedeckt!SL

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Fußnoten

[1] Schwarzer Schneeschimmel: Herpotrichia juniperi (Melanommataceae – Pleosporales – Dothidiomycetes – Bitunicate Ascomycota – Inoperculate Ascomycota –…)

[2] Latsche: Pinus mugo, eine Kiefer mit zwei Nadeln pro Büschel (Pinineae – Pinales – Conifera – Coniferopsida – Spermatophytina – …)

[3] Herpotrichia juniperi: Schwarzer Schneeschimmel (Melanommataceae Melanommataceae – Pleosporales – Dothidiomycetes – Bitunicate Ascomycota – Inoperculate Ascomycota –…)

[4] 0oCelsius

[5] Fruchtkörper (Fungi): Komplexe Hyphengeflechte, die Überdauerungsorgane, Konidien oder Sporangien enthalten oder diese oberflächlich tragen

[6] Hyphen: Einzellreihige, zellwandumgebene Fäden von Pilzen mit Spitzenwachstum, mit oder ohne Querwände

SL Engesser R, Wasem U (2005) Der Schwarze Schneeschimmel (Herpotrichia juniperi). www.waldwissen.net

Eingestellt am 15. März 2025

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Herpotrichia juniperi Pseudothecien

Autor: Ulrich Wasem, WSL

Lizenz: WSL (Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft, Birmensdorf); mit Erlaubnis

Eingestellt am 15. März 2025

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