zum Glossar über:

Protomycetales, Urpilzähnliche

1 Cysten (AP)

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Zwei Hefen[1 ]treffen im Tropfen voll Süßem[2] sich,

Wollen endlich nun Festes genießen;

Doch mit haploidem[3] Kern ist dies unmöglich;

Rücken deshalb zusammen, einen Bund miteinander zu schließen,

Lösen Wände, mischen, was zunächst noch getrennt[4],

Geben ihr Bestes, sich und dem Andern zuliebe[5]:

Ihr einziger Kern, größer nun, diploid[6],

Wird ihnen neue Welten erschließen[7].

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Zucker in Mengen ist von nun an ihnen zuwider,

Obwohl davon ihre Umbellifere[8] viel produziert;

Die Hyphe[9] zieht, ohne Notiz zu nehmen, daran vorbei,

Bohrt sich ein Loch ins nahe liegende Blatt.

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Alles gewonnen!

Nun drängt sie, Kerne ständig mitotisch[10] vermehrend,

Ab und zu ein Septum[11] bildend,

In Wänden der Zellen voran[12].

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Zwingt ihren Wirt[13], noch mehr ihr zu bieten.

– Er schwillt auch bereitwillig an[14]. –

Sich mehrfach verzweigend füllt nun die Hyphe des

Blattes Gewebe bis an den Rand.

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Nun fühlt sich das Hyphensystem

Bestens versorgt und gut unterstützt;

Gönnt sich und dem Kerbel nun eine Pause;

Nachdem so manche mehrkernige Zelle sich zur Cyste[15] verdickt.

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Das Blatt stirbt, doch Protomyces[16 ]trifft keine Schuld,

Fühlt sich trotzdem wohlig gebettet;

Überdauert Winter und Schnee im braunen Gekräusel

Bis im Frühling der Cysten Meute erwacht.

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Eine Vakuole[17], von außen Feuchte und Wasser genommen,

Sprengt die äußeren Schichten der Wand,

Stülpt die flexiblen nach außen mit Druck,

Bringt die diploiden Kerne mitsamt Protoplasten[18 ]hin Richtung Rand.

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Zerteilt ihn, gibt jedem der Kerne als

Anteil für hauchdünn bewandete Zellen

Eine ansehnliche, eigne Portion,

Die, alle zusammen, den Kern zur Meiose[19] nun drängen,

Um sich[20]– wer wird es erraten? – mit Sporen zu füllen,

Sie zum freien Versammlen dem Ascus[21] zu geben.

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Der Druck wird am Ende zu hoch!

Platzend, manchmal auch schießend,

Bringt der Ascus die Sporen ins Freie –

Vielleicht auf ein Blatt.

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Zucker wollen sie, mit Hefen dann keimen!

Noch sind sie jedoch an grundfalschem Ort[22]:

Trocknen, zerstäuben, der Wind tut sein Werk;

Wenn nicht Insekten[23] das glänzende Tröpfchen erblicken,

Neugierig werden, gern davon nehmen,

Als Vehikel[24] ungewollt hin zu Süßem es bringen. –

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Die Forschung rätselt:

Was hat die platzende Blase an sich,

Um als Ascus zu gelten?

Sind nicht die meiotisch tätigen hauchzarten Zellen

Wegen der Bildung von Sporen die wahren Asci,

Die Blase nur aus vielen von ihnen zusammengesetzt?

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Wie auch immer!

Protomyces zeigt ein Prinzip der Evolution:

Oft werden anfangs einige Wege probiert,

Bis sich einer davon etabliert.

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Fußnoten

[1] Hefen i.e.S.: Von Ascomycota durch Knospung gebildete Einzelzellen unterschiedlichster Form; Knospungsstellen sind als Narben in der Zellwand erkennbar

[2] Zucker: Kohlenstoffverbindungen mit einem doppelbindigen Sauerstoff [–C=O] am Ende der Kette, wenn in offener Form dargestellt, oder als Ringform mit einem einfachgebundenen Sauerstoff im Ring, und einer oder mehreren [–OH]-Gruppen; Summenformel meist [Cn(H2O)n]

[3] Haploid: Zellkerne mit einfachem Chromosomensatz; ausgedrückt als n

[4] Plasmogamie: Verschmelzung der Protoplasten zweier Zellen im Zuge sexueller Fortpflanzung; abgekürzt P!

[5] Karyogamie: Verschmelzung zweier haploider Zellkerne; abgekürzt K!

[6] Diploid: Zellkerne mit doppeltem Satz zusammenpassender, homologer Chromosomen; ausgedrückt mit 2n

[7] Hefen-Hyphen-Dimorphismus: Besteht, treten Pilze sowohl in Hefen- als auch in Hyphenform auf

[8] Anthriscus sp.: Kerbel (Apiaceae – Apiales – Campanulanae – Asteridae – Superasteridae –…)

[9] Hyphen: Einzellreihige, zellwandumgebene Fäden von Pilzen mit Spitzenwachstum, mit oder ohne Querwände

[10 ]Mitose, mitotisch, abgekürzt M!: Im Kern mittig in einer Ebene versammelte Chromosomen bildeten je zwei identische Chromatiden, die bei der Mitose durch Mikrotubuli separiert werden und, von einer Zellwand getrennt, als identische Chromosomensätze der entstandenen Zellen wirken

[11] Septum (Algen, Pilze): Querwand eines einzellreihigen Fadens, eines Trichoms, eines Zellausläufers, einer Hyphe

[12] Interzellulär wachsend: Wenn Hyphen nur in den Zellwänden der Pflanzen wachsen und nicht in die Zelle mit Hyphen oder Haustorien eindringen

[13] Wirt (Parasiten, Symbionten): Opfer eines Parasiten, Partner eines Symbionten

[14 ]Hypertrophie, hypertrophiertes Gewebe (Plantae): Durch vermehrte Zellteilungen kommen Gewebewucherungen zustande

[15] Cyste (Überdauerungsform): Mit widerstandsfähiger Wand umgebene Überdauerungsform von Zellen, von mehrzelligen Gebilden, gar von winzigen Organismen

[16 ]Protomyces macrosporus: Großsporiger Urpilzähnlicher (Protomycetales – Taphrinomycetes – Taphrinomycotina – Ascomycota – Dikarya –…)

[17] Saftvakuolen: Hauptsächlich mit Wasser gefüllte, mit verschiedenen Ionen versehene Vakuolen

[18] Protoplast, Protoplasma: Gesamter Inhalt einer Zelle

[19] Meiose, meiotisch, R!: Meiose dient der Reduktion eines diploiden Chromosomensatzes zu haploiden Sätzen. Dabei werden einander entsprechende Chromosomen, im Kern sich dann mittig in einer Ebene gegenüberstehend, gepaart und anschließend in entgegengesetzter Richtung („polwärts“) separiert. Dieser Vorgang wird auch als Reduktionsteilung (oft abgekürzt als R! und zugleich stellvertretend für die ganze Meiose verwendet) bezeichnet. Da die voneinander getrennten haploiden Chromosomen (zu Chromatiden) schon verdoppelt sind, schließt sich an die Reduktionsteilung noch eine mitotische Teilung an, so dass vier haploide Kerne letztlich vorliegen.

[20] Die mit hauchdünner Wand umgrenzte Zelle

[21] Ascus, Schlauch: Meisporangium der Ascomycota

[22] In der Streuschicht abgestorbener Pflanzen

[23 ]Insekten: Hexapoda (Tetraconata – Mandibulata – Arthropoda – Panarthropoda – Ecdysozoa –…)

[24] Vektor: Transporteur, Überträger, Ausbreiter

Eingestellt am 15. März 2025

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Protomyces

Hintergrundbild: Protomyces pachydermus auf Taraxacum officinale (Original; Reinhard Agerer)

Hypertrophierte Stellen auf der Blattader beinhalten siphonocladal organisierte Hyphen und Cysten: eingeblendetes Schema mit Pfeil (ppt-generiert; Reinhard Agerer)

Rechts unten e: Mit Ascus keimende Cysten (Quelle nicht mehr nachvollziehbar; um Hinweise wird gebeten; eigenem Vorlesungsmanuskript entnommen)

Eingestellt am 15. März 2015

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