zum Glossar über:
Bacteroidetes
1 Gedränge im Dunkeln (HP)
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Kaum eine Chance besteht
Der Bakterien phylogenetisches Alter zu prüfen.
Zu merkmalsarm erweisen sich nämlich Fossilien,
Ihre Entstehung zeitlich zu ordnen. –
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Steht das Alter einer Fossilienschicht eindeutig fest
Und lässt sich das lang schon versteinerte Wesen
Als ursprünglicher Baustein einer Verwandtschaft
Am Strauch der Sequenzen erkennen,
Ermittelt der Forscher in schätzender Weise
Ursprungsalter auch anderer Zweige[1].
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Wann Bacteroidetes-Arten entstanden,
Bleibt, weil für Versteinerung zu wenig robust, vollkommen ungewiss.
Cellulose[2] aber, dieser Spezialisten hauptsächliche Nahrung,
Existiert bereits länger als jedes celluloseverdauendes Tier. –
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Bohrten als Würmer, kratzten als Schnecken
In biotischen, cellulosehaltigen Filmen,
Nahmen damit Bakterien, sicher auch andere Einzeller auf.
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– Manche trotzen geschickt der Verdauung,
Schmiegen und heften sich fest an des Darmrohrs hüllenden Schleim.
Schon damit vorzüglich lebend, erweitern sie,
Passierende Faeces[5] ergreifend, noch ihr Nahrungstableau. –
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Cellulose, mehr als benötigt in kürzere Zucker zerlegt,
Und wandernder Zellen schleimige Matrix
Berühren des Vendobionten zuckerbedürftiges Darmepithel
Fördern erheblich das Wachstum des äsenden Tiers.
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Festgefügt zwar, doch als Mutterzelle ständig sich teilend,
Verlieren viele der Nachkommen jeglichen Halt,
Wandern, sich nährend, in Massentransporten sich unentwegt teilend,
Langsam und sicher dem Ende des Darmkanals zu. –
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An Sauerstoffarmut gewöhnt,
Begnügt sich Bacteroides mit niedrigen Konzentrationen im Darmepithel;
Lebt vorzüglich auch anaerob[6],
Wenn der gleitende Brei[7] es umschließt.
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Ein Leben zwischen zwei Welten fordern Bacteroides[8]ständig heraus:
Auf Cellulose im Freien am Landeplatz,
Oder, beengt, im Dunkel des Darms
Auf cellulosebestückte Partikel in Mengen hoffend, am laufenden Band.
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In Freiheit entscheidet differenziert sich die Sippe:
Breitet sich aus, besetzt anaerobe, cellulosehaltige Nischen,
Kreiert Spezialisten, etabliert neue Arten,
Fokussiert im Laufe der Zeit meist auf sich tierischen Darm.
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Fußnoten
[1] Molekulare Uhr: Bezeichnung für eine Methode der Genetik, mit der anhand von DNA-Sequenzierungen der Zeitpunkt der Aufspaltung zweier Arten von einem gemeinsamen Vorfahren abgeschätzt wird. Je mehr Mutationen (Unterschiede in den DNA-Sequenzen) nach einer Aufspaltung entstanden sind, desto länger war vermutlich die Evolutionsdauer seit diesem Zeitpunkt. Schwierig ist es, die Mutationsrate zu bestimmen und damit die Laufgeschwindigkeit der molekularen Uhr zu ermitteln. Zumeist werden Mutationsraten für ganze Organismengruppen gemittelt, um einen Richtwert zu erhalten. Zur Kalibrierung des Alters der Verzweigungen im ermittelten molekularen Stammbaum werden, sofern verfügbar, Fossilien, die den Organismen der Verzweigungsstellen vermutlich entsprechen, verwendet, deren ungefähres Alter bekannt ist. Große Schwankungen für die Zeitangaben der Organismenaufspaltung in zwei eigenständige Verwandtschaften sind daher nicht verwunderlich. Sie werden in den entsprechenden Diagrammen oft als Dutzende Millionen Jahre überspannende Balken angeben.
[2] Cellulose: Unverzweigte Ketten aus Glucose in β-1,4-Verknüpfung; wobei der 6C-Zucker Glucose in Ring-Form geschrieben, dasC1der Aldehydgruppe ist [CH2OHCHOHCHOHCHOHCHOHCHO], davon aus gerechnet ist das vierteC4ist. In Ringform geschrieben weist die OH-Gruppe desC1nach oben, wie auch die frei gebliebene CH2OH-Gruppe. Die OH-Gruppen wechseln von 1 bis 4 die Stellung:C1nach oben, C2 nach unten, C3 noch oben,C4nach unten, an C5 hängt die nach oben stehende CH2OH-Gruppe. (Zeichnerische Darstellung unter: )
[3] Ediacarium-Zeit: vor ca. 580 – 540 Millionen Jahren
[4] Vendobionten: Bezeichnung für eine hypothetische Organismengruppe riesenwüchsiger Einzeller im Erdzeitalter des Ediacariums und den Großteil der Ediacaria-Fossilfauna ausmachen soll
[5] Faeces: Kot, Kacke
[6] Anaerob: sauerstofffrei; Anaerobier leben nur unter sauerstofffreien Bedingungen
[7] Verdauungsbrei
[8] Bacteroides: Haben als zahlenmäßig führende Mikroorganismen im Colon die Statthalterfunktion inne, d.h. sie sorgen dafür, dass sich keine pathogenen Keime einnisten und ausbreiten können
Eingestellt am 6. April 2024
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Bacteroidetes
2 Und heute? (TP)
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Heiß umkämpft von Hunderten Arten
Sind Wände im Säugetierdarm.
Nicht nur Bacteroides[1] erkannte den Vorteil
Der wohltemperierten, nährstoffbefüllten, ökologischen Nische[2].
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Thetaio[3], aus der Bacteroides-Sippe,
Belegt bevorzugt im Enddarm leicht saure Bereiche;
Nimmt komplexe Kohlenhydrate der Nahrung,
Zerlegt sie im Überschuss,
Scheidet zerkleinert darmwandpassable kürzere aus,
Ermöglicht so erst Nahrungsaufnahme vollauf.
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Einen Volltreffer landete Thetaio mit seiner spezifischen Wahl.
Nährstoffumwalkt, kohlendydrat- und stickstoffversorgt,
Teilt er sich ungebremst,
Überbevölkert nur scheinbar den Darm,
Übertrifft mit hundert Milliarden Zellen pro Gramm
Mitkonkurrenten im Faeces[4] weitaus an Zahl.
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Verdauungsfördernd etabliert er so eine Symbiose,
Nutzt viele Ressourcen, gibt dennoch zurück,
Konvertiert inerte Cellulose in Zucker und Säuren.
Fünfzehn bis zwanzig Prozent
Der vom Körper der Nahrung entzog‘nen Kalorien
Steuert Thetaio Tag für Tag bei.
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Resorptionsbehindernde Seitenketten entfernend,
Treibt er das Gallensäurerecycling voran,
Zerstört potenzielle Gifte pflanzlicher Nahrung,
Erhöht Sensibilität der Immunabwehr.
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Konsortial[5] organisiert, lebt Thetaio in Einklang
Mit Scharen bakterieller Mikroben.
Teilen Areale und Räume, nutzen verschied‘ne Substrate,
Ordnen sich ein in die innere Welt.
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Der Gärkammer Harmonie jedoch nachhaltig störend,
Drängen Viren[6] und fremde Mikroben
In das wohlfunktionierende Ökosystem.
Bringen das Gleichgewicht aus der Balance,
Bewirken zum Nachseh‘n heimischer Populationen
Schnellentleerung des Darms.
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Im Kampf um Nahrung, Einfluss und Nischen,
Erfanden Bakterien abwehrende, teilungshemmende Stoffe.
Setzen sie notfalls rücksichtslos ein,
Um ihr eigenes Leben zu sichern.
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Als Antibiotika[7] seit langem bekannt,
Verordnet der Arzt sie spezifisch gegen bakterielle Krankheitserreger
Nimmt dabei mögliche Störung des Darmmikrobioms[8] in Kauf,
Unterstützt danach mit Probiotica[9] seine Restauration.
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Fußnoten
[1] Bacteroides: gramnegative, obligat anaerobe Bakterien
[2] Ökologische Nischen: Meist kleine Gebiete, Habitate, mit relativ einheitlichen Lebensbedingungen
[3] Bacteroides thetaiotaomicron: Dominiert der meisten Säugetiere Darmmikrobiom. Ermöglicht das Aufnehmen von sonst unverdaulichen Polysacchariden durch deren Hydrolyse, stellt dem Wirt metabolische Fähigkeiten zur Verfügung, die er selbst nicht besitzt; ist auch in der Lage, die Genexpression des Wirts zu manipulieren, die zu beiderseitigem Vorteil, zu einer Symbiose, führt; ist auch fähig, in der postnatalen Entwicklung die Blutkapillarenentwicklung zu stimulieren und so die Nährstoffaufnahmen zu verbessern. Bei Vorgeschädigten Personen, kann er als schwaches opportunistisches Pathogen wirken.
[4] Faeces: Kot, Kacke
[5 ]Konsortium (Bakterien): Zusammenschluss von Mikroben zur bessren Verwertung von Nahrung; die einen nutzen, was anderen in unmittelbarer Nähe produzieren
[6] Viren: (Viren – Bacteria)
[7] Antibiotikum: Ein natürlich gebildetes, oft chemisch modifiziertes, niedermolekulares Stoffwechselprodukt, von Pilzen oder Bakterien, das schon in geringer Konzentration das Wachstum anderer Mikroorganismen hemmt oder diese gar tötet.
[8] Mikrobiom: Gesamtheit der Mikroorganismen, die in oder auf einem mehrzelligen Wesen leben; dabei kann sich deren Zusammensetzung nach Ort und Zeit unterscheiden
[9] Probiotica: Zubereitungen, die lebensfähige Mikroorganismen enthalten, z. B. Milchsäurebakterien und Hefen
Eingestellt am 6. April 2024
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Endpunkt erreicht