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Rickettsiaceae, Rickettsien

1 Am Scheideweg

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Lebten als Schwestern vor Jahrmillionen

Von Schleimen fremder Mikroben,

Doch bald trennten sich ihre Wege:

In Freiheit blieb die eine, die andere wagte zu viel der Gefahr.

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Eng schmiegte sich Mita[1] an die wandernde Zelle[2],

Zu eng, wie bald sie bemerkte, bestimmt,

Schon war sie umschlossen,

Fand sich getrieben auf unsicherer Bahn.

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Kettsia[3] entgegen hielt gebührenden Abstand,

Begnügte sich mit zuckerhaltigem Abfall,

Blieb aber gleichfalls nicht unbehelligt,

Stand hingegen unter dem Schutz einer großen Population.

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Fußnoten

[1] Mita: Kunstname für hypothetischen Vorfahr; endete als Mitochondrium

[2] Womöglich die Zelle einer frühen Archäe oder eines bereits einen echten Zellkern besitzenden Nachfahren

[3] Kettsia: Kunstname für hypothetischen Vorfahr; wurde zum Vorfahren der Rickettsien

Eingestellt am 6. April 2024

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Rickettsiaceae, Rickettsien

2 Späte Einsicht (HP, AP)

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Leben in Freiheit lässt manche Tür offen,

Aufenthaltsorte neu zu bestimmen;

Erfordert jedoch ohne Zweifel hohe Flexibilität

Und gleichgesinnte Partner in größerer Zahl.

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Nicht jede Idee, nicht jede Neuerung, führt zum Erfolg.

Versuch und Irrtum heißt die Devise

Für Fortschritt von Einzelnen,

Falls das Hauptvolk versagt.

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Freie Ortswahl ist für Kettsia[1] doch nur ein Traum

Als flagellenloses[2] Geschöpf.

Sie übergibt sich beweglichen Tieren, heftet sich an

Oder birgt sich im sauerstoffhaltigen Schlund.

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Zunächst im Meer, doch später an Land,

Fand sie Vehikel in blutaussaugendem kleinem Getier.

Wohlversorgt jetzt mit sauerstoffträchtigem Blut,

Doch noch genügte dies ihr nicht. –

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Als Rickettsia wollte sie mehr!

Doch Eintritt in die Blutbahn war ihr verwehrt

Bis sie auf Zecken[3] und Läuse[4] traf

Mit engstem Kontakt zum strömenden Blut.

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Mit Zecken ist es ein Leichtes,

Durch die Kanüle ins Blut zu gelangen.

Doch Läuse kratzen nur winzige Wunden,

Lecken mit Rüsseln das Blut.

Zu wenig tief erweist sich die Wunde

Für Eintritt in ein Kapillarengefäß.

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Über Umwege nur erreicht sie tiefere Schichten.

Den Juckreiz, von einer Laus initiiert,

Nutzt sie, im Kot darauf wartend,

In offene Stellen gerieben zu sein.

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Ans Ziel ihrer Wünsche gelangt,

Sucht sie nun den passabelsten Weg.

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Fußnoten

[1] Kettsia: Kunstname für hypothetischen Vorfahr; wurde zum Vorfahren der Rickettsien

[2] Flagellum, Geißel (Bakteriengeißel): Aus vielen globulären Flagellinproteinen zusammengesetzte Hohlröhre

[3] Zecke, Holzbock: Ixodes ricinus (Actinotricha – Acari – Apulmonata – Lipoctena – Arachnida – …)

[4] Läuse: Phthiraptera (Psocodea – Acercaria – Neoptera – Pterygota – Dicondylia – …)

Eingestellt am 6. April 2024

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Rickettsiaceae, Rickettsien

3 Fast wie Mita (HP, AP)

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Dem Blutstrom willenlos folgend, findet sie dennoch bald Halt

An Arterien und der Venen Wand,

Heftet sich kurz einmal an,

Schon ist sie membranbewaffnet umarmt[1].

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Wird hineingezogen und restlos verdaut. –

Die Invasion blieb ohne Erfolg,

Doch Freiwillige warten schon lange darauf,

Ob nicht ihnen ein Coup in der Zelle gelingt.

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Wie lange vergeblich die Selbstopfer waren,

Steht nirgends geschrieben.

Ob sie selbst am Ende

Den Dreh herausfanden,

Oder Gentransfer dabei ihnen half,

Bleibt auch heute noch ungelöst. –

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Wie es Listeria[2] gelang,

Den Vesikeln[3] durch die Membran zu entkommen,

Bevor ein Lysozymvesikel[4],[5] mit ihm sich verband,

Schlüpft auch Rickettsia ins Cytoplasma[6] und bleibt unerkannt.

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Auch sie drückt sich mit Epithelzellactinfilamenten[7],[8] voran,

Durchbricht Grenze um Grenze,

Setzt viele der Zellen außer Gefecht,

Behindert, blockiert, die Steuerfunktion.

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Warum soll sie den Ort des Verwöhnens wieder verlassen,

Wenn alles, was sie begehrt, sie in Fülle umgibt?

Warum selbst noch Nahrung beschaffen, zerkrümeln,

Wenn der Wirt alle Wünsche erfüllt?

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Jeden Genballast wirft sie ab,

Behält nur, was sie unabänderlich braucht,

Selbst ATP[9] führt sie ein,

Gibt dafür ADP[10] zum Wiederbeladen frei.

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Ganz anders als Mita vor Jahrmilliarden dies tat:

Sich revanchierte für des Wirtes Geschenk

Der Behütung, der Hege, im cytoplasmatischen Raum.

Bescheiden blieb sie, vesikelumschlossen,

Durchbrach das Endosom nicht,

Gab mit ATP dem Wirt seinen Lohn.

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Fußnoten

[1] Von einem Endosom: Mikrobenumschließendes Vesikel, entstanden aus einer Zellmembraneinstülpung

[2] Listeria monocystogenes: stäbchenförmiges, fakultativ-anaerobesund aufgrund von Flagellen bewegliches Bakterium (polare oder peritriche Begeißelung). Erreger der Listeriose. (Firmicutes – Grampositive – Bacteria)

[3] Endosomen

[4] Lysozyme: Spezielle Hydrolasen, durch Wasseranlagerung auflösende Enzyme, die durch antibakterielle Wirkung zum unspezifischen Immunsystems gehören

[5] Lysosomen: Von einer Membran umschlossene kugelförmige Zellorganellen von Eukaryoten; enthalten hydrolytische Enzyme und Phosphatasen, mit denen sie Fremdstoffe oder körpereigene Stoffe abbauen

[6] Cytoplasma: Flüssiger Zellinhalt mit darin liegendem Cytoskelett

[7] Epithelzellen: Ein- oder mehrlagige Zellschichten, die alle inneren und äußeren Körperoberflächen von Echten Tieren (Animalia) bedecken

[8] Actin,Fädiges Actin: Actin ist ein häufiger Bestandteil des Cytoskeletts und kommt besonders in Muskelzellen vor; zu Fäden polymerisiert (F-Actin), dient es der Stabilisierung der äußeren Zellform sowie der Ausbildung von Zellfortsätzen, intrazellulären Verlagerungen und gerichteten intrazellulären Bewegungen.

[9] ATP:Adenosin-Tri-Phosphat; bestehend aus Ribose und Adenin; Ribose trägt an seiner nicht in den Zuckerring einbezogenen Kohlenstoffgruppe drei hintereinander liegende Phosphatgruppen. Diese lineare Anordnung der Phosphate hat zur Folge, dass das dritte, äußerste Phosphat, mit seiner ihm dadurch innewohnenden Energie, diese leicht unter Abspaltung auf andere Moleküle übertragen kann; (Abbildung unter „Grundlegendes, 11 Zukunftshoffnung“)

[10] ADP,Adenosin-Di-Phosphat: nach Abgabe des zuäußerst gelegenen Phosphats des ATPs bleibt; das energieärmere ADP über, das aber wieder zum ATP regeneriert werden kann; (Abbildung unter „Grundlegendes, 11 Zukunftshoffnung“)

Eingestellt am 6. April 2024

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Rickettsiaceae, Rickettsien

4 Flecken (AP)

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In feinste Adern verfrachtet, verschwemmt,

Nimmt Rickettsia jede Gelegenheit wahr,

In Epithelzellen zu dringen,

Sich zum eigenen Wohle nur niederzulassen.

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Doch die Zellen schlagen Alarm:

Mit Chemokinen[1]locken sie Mono[2]- und Granulocyten[3] heran,

Halten sie, adhäsionsvermittelt[4], an ihrer Zellgrenze fest

Und Opfern sich, der Gemeinschaft willen, freiwillig auf.

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Der Kapillaren Wandung wird hiermit verletzt.

Geben leckend, rotfleckig die Haut damit färbend,

Ihr Blut in die Umgebung,

Zum Fieber erhöht sich des Körpers Temperatur.

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Epidemisch schlägt das Fleckfieber[5] zu:

Mit Zecken[6] in Rocky Mountains[7] verbreitet,

In Tropen und Subtropen überbringen Läuse[8] Rickettsien,

Wenn Mangel an Hygiene die Menschen beherrscht.

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Zwei Arten plagen Überträger und Mensch:

Rickettsia rickettsii[9]

Verantwortet Nordamerikas Fleckfieber;

Rickettsia prowazekii[10]

Wütet in wärmerem Asien und Afrika

Mit Fleckfieber und Typhus in Stadt und Dorf.

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Fußnoten

[1] Chemokine: Gruppe der Cytokin(in)e, die bei Zellen eine Wanderungsbewegung auslösen, hin Richtung höchster Konzentration; spielen eine zentrale Rolle bei der Migration von Immunzellen im Gewebe und bei deren Auswanderung aus dem Blut. Ohne die von Chemokinen ausgelöste Zellwanderung könnte das Immunsystem nicht funktionieren.

[2 ]Monocyten: Im Blut zirkulierende Zellen des Immunsystems und Vorläufer u. a. der Makrophagen. Ihre Aufgabe ist die Zerstörung körperfremder Strukturen durch Phagocytose und die Aktivierung der erworbenen Immunabwehr durch Antigenpräsentation. Monocyten wandern ausdifferenziert als Makrophagen ins Gewebe.

[3] Granulocyten: Bestimmte weiße Blutkörperchen, die sich unterschiedlich anfärben lassen, dadurch werden unterschiedliche Funktionen angedeutet. Aufgabe ist vor allem die unspezifische Bekämpfung, von Bakterien, Parasiten und Pilzen als Mittel der angeborenen Immunabwehr; sie sind in der Lage, Krankheitserreger aufzunehmen und zu zerstören.

[4] Adhäsion: Haften an den Kontaktflächen zweier unterschiedlicher oder gleicher Stoffe durch Molekularkräfte

[5] Fleckfieber: Rotfleckiger Hautausschlag, der unter anderem Gesicht und Extremitäten befallen kann, begleitet von einem charakteristischen Fieberverlauf 

[6] Zecke, Holzbock: Ixodes ricinus (Actinotricha – Acari – Apulmonata – Lipoctena – Arachnida – …)

[7] Rocky Mountains: Ausgedehntes annährend nord-südlich verlaufendes Faltengebirge im Westen Nordamerikas.

[8] Läuse: Phthiraptera (Psocodea – Acercaria – Neoptera – Pterygota – Dicondylia – …)

[9 ]Rickettsia rickettsii: Erreger des Rocky Mountain Fleckfiebers

[10] Rickettsia prowazekii: Erreger von Klassischem Typhus und Klassischem Fleckfieber

Eingestellt am 6. April 2004

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