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Myoviridae: Phagen

1 Auf Prokaryoten beschränkt (AP)

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Lassen sich ausschließlich als Phagen[1] vermehren,

Manche steh’n auf Archäen[2], doch viele wählen Bakterien sich.

Kommen mit Capsid[3] als Kopf, einem Kragen darunter, einem

Stiel mit Strukturen am Ende zum Halt.

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Hinterhältig verbirgt sich eine Kanüle[4],

Die, zieht sich deren Umhüllung zusammen, ein Loch in die Arglose sticht,

Dem Chromosom Zugang so in den Wirt vermittelt,

Das sein Unwesen dort, in den Tod oft die Wirtszelle treibt. –

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Der Familie Existenz scheint gefährdet,

Verbürgen sich doch in ihr nicht näher verwandte Sippen ähnlichen Baus.

Wir lassen solche Bedenken bei Seite,                                                  

Nehmen nur den Bestbekannten der Gilde[5] heraus.

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Fußnoten

[1] Phagen: Ausschließlich Bakterien (und Archäen) infizierende Viren; sind durch ihre Lebensweise charakterisiert; bilden keine einheitliche Verwandtschaft

[2] Archäen: Bilden zusammen mit Bakterien die sog. Prokaryo(n)ten, die noch keinen echten Zellkern und keine komplex gebauten Chromosomen besitzen. Sie unterscheiden sich grundsätzlich voneinander. Deshalb wurden die Archäen in den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts als eigene Organismen-Domäne der Domäne der Bakterien gegenübergestellt

[3] Capsid: Komplexe, regelmäßige Struktur von Viren aus Proteinen, die der Verpackung des Virusgenoms dient.

[4] Kanüle: Hohlnadel

[5] Gilde (biologische): Eine Gruppe von Arten, die auf ähnliche Weise vergleichbare Ressourcen nutzt und zwar ungeachtet ihres Verwandtschaftsgrades

Eingestellt am 6. Juli 2024

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Myoviridae: Phagen

2 Der Durchschaute (AP)

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Sechs kürzere Fasern strahlen vom Kragen nach unten.

Von der Basalplatte des Stiels, der Schwanz auch heißt,

Gehen Insektenbeinen ähnlich geknickte sechs Fäden nach außen,

Halten an Escherichia colis[1] Außenmembranhülle[2] sich fest,

Falls Moleküle passender Art sie dort finden.

Damit beginnt der Phage[3] sein hinterhältiges Werk.

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Des Phagen Basalplatte tritt mit Colis Membran[4] in Verbindung,

Was strukturell den Schwanz sich verändern lässt:

Proteine der Scheide, steil-schraubig geordnet,

Verflachen die Steigung, verkürzen und weiten den Stiel.

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Wie eine Nadel drückt sie den mittigen Hohlstift nach unten,

Durchsticht des Bakteriums äußere Hülle, die Zellwand dazu,

Der, spitz und verschlossen zunächst noch.

Doch die ihn umgebenden Proteine lösen inmitten der Nadel einen weiten Kanal.

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In die Tiefe der Zelle dringend,

Öffnet die Kanüle sich mit erheblichem Druck,

Spritzt mit fünfzig Bar[5], einem der höchsten Drücke in der Natur,

DNA, vom Capsid, vom Kopf, herkommend, dem Bakterium ein.

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– Ein menschlicher Fuß von zweihundert Quadratzentimetern Fläche,

Würde, damit verglichen, eine Person,

Auf einem Bein lediglich stehend,

Tragen können, die von zehn Tonnen Gewicht. –

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Wirtseigne RNA-Polymerasen[6] transkribieren[7] des Phagen Gene,

Des Opfers Ribosomen[8] translatieren[9] sie zu Protein;

Doch nicht alles übernimmt von Wirten der Phage,

Denn sein Genom codiert tRNAs[10] noch selbst.

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Seine Baupläne für Nucleasen[11] lässt er vom Wirt transkribieren,

Zerstört mit Hilfe der damit erhalt’nen Enzyme[12] des Wirts DNA,

Damit Polymerasen[13] für ihn nur wirken.

Er selbst schützt sich dagegen, sind seine Cytosine[14] doch methyliert[15].

Nicht dass der Phage mit sich sie schon so brächte,

Sein eignes Enzym nimmt im Wirt erst diese Änderung vor.

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Viele an DNA-Synthesen beteiligte Schlüsselenzyme des Wirts,

Werden durch des Phagen eigne ersetzt.

Eines davon erhöht ums Zehnfache des

Phagen DNA-Replikation[16].

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Raffiniert beschleunigend wirkt T4s Methode seine DNA zu replizieren:

Zum Ring schließt er zunächst den üblicherweise linearen Strang,

Polymerase beginnt einen Einzelstrang, dort wo er aufgespreizt, zu ergänzen,

Läuft mehrfach der Ring-DNA im Kreis herum[17],

Ergänzt, was einzelsträngig, zur Helixleiter,

Schneidet fürs Verpacken separate Genome heraus.

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Zum Schluss erst werden, um Capsid[18]- und Schwanzproteine[19] zu bilden,

Die an der Wirtsmembraninnenseite am Ende sich sammeln, translatiert;

Durch Self-Assembling[20], ohne Einfluss von außen,

Ordnen die Teile zu fertigen Phagen sich an.

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Lockern nach der Reproduktion Ende lysozymatisch[21]

Der Zellwand einstmals feste Struktur,

Lassen den Wirt am Ende noch platzen!

Die Bahn ist nun frei! Docken sofort sich weiteren Colis an. –

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Wer noch zu früheren Zeiten Biologie studierte,

Denkt gewiss an ein Experiment zurück,

In dem er Coli-Bakterien[22] fein säuberlich auf Nähragar[23] plattierte,

Später Phagensuspensionen geeigneter Konzentration brachte darauf

Und nach ein paar Tagen als er die Platte wieder betrachtete

Dort Löcher in Colis Rasen fand, wo T4 offensichtlich sein Unwesen trieb.

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Fußnoten

[1] Escherichia coli: (Enterobacteriaceae – Gamma-Proteobacteria – Gramnegative – Bacteria); gehört zum normalen Mikrobiom des menschlichen Darms; einige Stämme aber können Durchfallkrankheiten verursachen

[2] Äußere Lipiddoppelmembran (Bakterien): eine zusätzlich Lipiddoppelmembran, die gramnegative Bakterien umgibt, die Grampositiven fehlt

[3] T4 Phage: Ein Stamm der Escherichia-coli-Phagen, der heute als der Gattung Tequatovirus zugerechnet wird. Es existieren insgesamt sieben Stämme (T1 bis T7), die sich u. a. etwas im Bau des Capsids unterscheiden

[4] Äußere Lipiddoppelmembran

[5] 1 Bar = 1 kg pro cm2. 50 kg pro cm2: wer mit einem Handteller von 100 cm2Fläche (10 x 10 cm, mit Fingern gerechnet) einen einarmigen Handstand zeigt, dürfte im Vergleich dazu 5000 kg wiegen, dann würde dies in etwa einem Druck von 50 Bar auf seine Hand entsprechen.

[6] RNA-Polymerasen: Enzyme, welche die Synthese von RNA aus Nucleotidtriphosphaten (Ribose als Zucker und Uridintriphosphat, UTP, anstelle von Thymidintriphosphat, TPP, verwenden) als monomere Vorstufen (Einzelvorstufen) katalysieren

[7] Transkribieren: Umschreiben der DNA in RNA

[8] Ribosom: Organell aus ribosomaler RNA und Proteinen. Es dient zur Translation der mRNA-Informationen in Proteine. Meist sind mehrere Ribosomen über die mRNA kettenartig verbunden, um zugleich mehrere Ablesevorgänge hintereinander ablaufen lassen zu können

[9] Translatieren:Synthetisieren von Proteinen in den Zellen lebender Organismen, die nach Vorgabe der Basensequenzen an den Ribosomen abläuft

[10] tRNAs, Transfer RNAs: Übersetzen die Informationen der mRNA in die verschiedenen Aminosäuren und bauen sie zu Proteinen zusammen

[11] Nucleasen: Nucelinsäuren abbauende Enzyme

[12] Enzym: Protein, das, an spezielle Moleküle angepasst, die Synthese katalysiert. Meistens werden mehrere Enzyme zu einem Komplex verbunden, um eine räumliche Nähe zwischen den einzelnen, aufeinanderfolgenden Syntheseschritten herzustellen

[13] Polymerasen: Gruppe von Enzymen, welche die Synthese von Polynucleotiden aus Nucleotidtriphosphaten als monomere Vorstufen (Einzelvorstufen) katalysieren

[14] Cytosin: eine monozyklische, eine Pyrimidin-Base; abgekürzt C

[15] Methylieren: einem Molekül eine [–CH3]-Seitengruppe anhängen   

[16] Replikation: Replikation dient dazu, DNA in einer Zelle zu verdoppeln. Sie wird also dazu benötigt, Erbinformationen an jede neue Zelle weiterzugeben

[17] Rolling-Circle-Mechanismus: Ringförmige, oder sekundär zum Ring geschlossene DNA wird in ununterbrochenem Umlauf von Polymerasen zu einem langen Strang mehrfach wiederholt vorliegender Chromosomen transkribiert; erst nach Abschluss der Transkription werden die einzelnen Chromosomen an den Erkennungssequenzen des langen DNA-Strangs voneinander getrennt. Dieser Vorgang spart erheblich Zeit bei der Transkription von Chromosomen und wird von verschiedensten Viren verwirklicht.

[18] Capsid: Komplexe, regelmäßige Struktur von Viren aus Proteinen, die der Verpackung des Virusgenoms dient.

[19] Schwanz (Viren): Stiel von Phagen

[20] Self-Assembling: Geregelter Zusammenbau aus sich selbst heraus, ohne enzymatische oder zellmechanistische Einwirkung

[21] Lysozymatisch: Wirkung von Lysozymen, speziellen Hydrolasen: Enzyme, die durch Wasseranlagerung etwas auflösen

[22] Coli-Bakterien: Escherichia coli

[23] Nähragar: Aus Agar gewonnene, sich verfestigende Substanz, versetzt mit speziellen, für bestimmte Organismen zum Wachstum nötigen Nährstoffen

Eingestellt am 6. Juli 2024

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T2 Phage mit geschnittenem Capsid

Autor: Leonhard von Welser

Lawrence paladine, CC BY-SA 3.0 <http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/>, via Wikimedia Commons; unverändert

Eingestellt am 6. Juli 2024

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