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Entomophthoromycetes, Verengtsporige Jochpilze

1 Herbst (AP)

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Kühl und feucht werden die Tage!

Für manche der Tiere Signal, sich ins Winterquartier zu begeben,

Um längere Zeit mit Schlaf zu verbringen oder

Kärglich mit Notrationen zu leben.

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Musca[1] will es nicht glauben,

Dass für sie die Zeit ist gekommen!

Setzt sich, ermüdet zwar, keck ans Fenster,

Unentdeckt, unerreichbar für jede putzende Hand,

Um aus warmer Stube heraus,

Den Blick auf den Herbst zu genießen.

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Unentschlossen noch über die Wahl des bestgeeigneten Ortes,

Krabbelt sie, ein wenig nur, hin und her;

Bleibt ermattet, alle sechs Beinchen

Fest an die kühlende Scheibe gedrückt,

– Ihr Rüssel hilft zu besserem Halt –

Für lange Zeit steh‘n.

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Unwohl ist ihr,

Fühlt ein inneres Weh,

Und fällt, wie erlösend für sie,

In nicht mehr endende Ruh.

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Fühlt nichts mehr vom drückenden Wachsen

Hunderter Schläuche zwischen sonst so sauber gepflegten Tergen[2],

Nichts von der Fugen Dehnung,

Nichts von weißen Fissuren quer um den Leib.

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Ein weißlicher Pelz macht sie zum Zebra[3].

Samten erscheint die Bekleidung

Durch kopfig-keulige Formen der Haare,

Die vor hell-herbstlichem Himmel

Hinter der glasklaren Scheibe sie vollkommen tarnt.

Nicht lange jedoch währt die saubere Sicht um die Beinchen.

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In weitem Umkreis trübt sich die Scheibe!

Kaum merklich zuerst,

Legt sich ein weißlicher, klebriger Staub

Wie ein runder Teppich über das Glas,

Vielleicht als Decke für Musca gedacht.

Sie selbst aber bleibt offen zu seh‘n.

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Fußnoten

[1] Musca domestica: Stubenfliege (Muscidae – Calyptratae –Cyclorrhapha s.s. – Cyclorhapha s.l.  – Brachycera –…)

[2] Tergum (Hexapoda): Dorsaler Teil der vier Bereiche eines Körpersegments von Insekten

[3] Zebra (Equidae; nicht separat behandelt – Hippomorpha – Mesaxonia – Ungulata – Übrige Laurasiatheria –…)

Eingestellt am 15. März 2025

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Stubenfliege, umgeben von Schleuderkonidien von Entomophthora muscae(Original; Reinhard Agerer)

Eingestellt am 15. März 2025

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Entomophthoromycetes, Verengtsporige Jochpilze

2 Der Sprung ins Leere (AP)

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Nicht zur Zierde belegen der Schläuche[1] Köpfchen

Die schräg zum Kadaver nach außen gerichteten, leicht aufgetriebenen Hyphen[2]!

Als Propagulenbildner[3] zwischen Muscas Scerite[4] konzipierte Empusa[5] sie:

Kugeln als Projektile[6] sollen benachbarte Musca domestica[7] treffen.

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Von dickerer Querwand[8] begrenzt,

Erhebt sich am Ende der Hyphe der Kopf,

Erwartet den Countdown für einen Schuss;

Verspürt den wachsenden Druck unter sich.

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Plötzlich zerreißt unter ihm ringsum seine Wand[9]!

Ein Strahl Protoplasma[10] schießt in die Welt mit ihm,

Prallt, ohne zu federn, an der Glasfläche auf,

Klebt schnell sich mit restlichem Treibstoff[11 ]noch fest.

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Projektile regnen unaufhörlich herab,

Bedecken ihr Umfeld mit der Geschosse lockeren Schicht,

Doch keines traf das erwartete Ziel:

So weit sie auch flogen, Fliegen trafen sie nicht!

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Noch ist für nahende Fliegen höchste Gefahr,

Denn als Landefähren baute Empusa jedes Geschoss!

Langsam entwächst dem Erstprojektil[12]

Mit Hilfe behalt’ner Reserven ein kürzerer Schlauch.

Auch er mit dickem, ebenem Septum[13], trennt

Einen nun kleineren Kugelkopf[14] ab.

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Wasser entnehmend dem klebrigen Treibstoff,

Erhöht sich in beiden Kompartimenten der Druck

Bis das Septum, zunächst noch plan,

In der mittleren Schicht – als Aufrisszone gedacht –

Von beiden Seiten unter wachsendem Druck,

Plötzlich zerreißt, zur doppelten Beule gestülpt,

Mit entladender Kraft die Kugel weit von sich schnellt:

Doch ungezielt, gleichfalls trefferlos, erfolgte der Schuss.

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So lange Empusas Landefähren[15]

Reserven und Wasser für Katapulte[16] genügen,

Wiederholen wieder und wieder sie Landungsversuche,

Doch nur wenigen ihrer Armada ist ein Treffer gegönnt.

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Fußnoten

[1] Siphonal (Algen, Pilze): Schlauchartige, unseptierte Röhre (Hyphe) mit vielen Kernen

[2] Hyphen: Einzellreihige, zellwandumgebene Fäden von Pilzen mit Spitzenwachstum, mit oder ohne Querwände

[3] Propagulen: Allgemeine Bezeichnung für Verbreitungseinheiten

[4] Sclerit (Hexapoda): Jeder ringsum durch eine Naht abgegrenzte harte Abschnitt, Segment, des Außenskeletts

[5] Entomophthora muscae: Fliegentöter (Entomophthoromycetes – Zygomycota – Multikarya – Unbegeißelte Chitinpilze – Fungi – …)

[6] Propagulen

[7] Musca domestica: Stubenfliege (Muscidae – Calyptratae – Cyclorrhapha s.s. – Cyclorhapha s.l.  – Brachycera –…)

[8] Septum (Algen, Pilze): Querwand eines einzellreihigen Fadens, eines Trichoms, eines Zellausläufers, einer Hyphe

[9] Zellwand: Eine aus Polymeren aufgebaute Hülle, die Zellen von Pflanzen, Bakterien, Pilzen, Algen und Archäen umgibt

[10] Protoplast, Protoplasma: Gesamter Inhalt einer Zelle

[11] Protoplasma

[12] Primärkonidie: Eine als erste gebildete Konidie, aus der eine zweite entsteht

[13] Septum

[14] Sekundärkonidie: Konidie, die aus einer Primärkonidie entsteht

[15] Primärkonidien

[16] Sekundärkonidien

Eingestellt am 15. März 2025

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Konidienbildung von Entomophthora muscae(Tusche-, Bleistift- und Kreidezeichnung; Reinhard Agerer)

Oben rechts: Aus dem Spalt zwischen zwei Segmenten einer Stubenfliege wachsende Kondienträger. Junge, annähend keulenförmige Endzellen der Hyphen formen eine kugelige, zum Teil etwas zugespitzte Anschwellung, die sie mit einem Septum abtrennen. Wird der Druck in der konidentragenden Zelle zu groß (durch enorm sich vergrößernde Saftvakuole, blau, vermittelt), reißt unterhalb des Septums rund um die Konidie auf, was wegen der Plötzlichkeit zum Abschuss der Konidie führt. Konidien, Konidienträger und Hyphen sind vielkernig (Protoplast mit Kernen, grau). Nach Webster & Weber (2007), S. 216, Abb. 7.43, b.

Oben links: Konidienbildung und Abschuss bei Conidiobolus utriculosus, eines weiteren Entomophthoromyceten; links Konidie noch am Träger, rechts beim Abschießen. Hier spaltet sich die Querwand in zwei Halbzellwände auf, beulen sich dabei plötzlich aus, was zum Wegschießen führt. Konidien, Konidienträger und Hyphen sind vielkernig (Protoplast mit Kernen grau; Saftvakuole blau). Nach Gäumann (1926), S. 116, Abb. 70, 2 und 3.

Unten:Links: Entomophthora muscae. Gelandete Primärkonidie nach Abschuss vom Konidienträger, umgeben von Cytoplasma des Konidiophors.Daneben: Bildung einer Sekundärkonidie an der Primärkonidie.Daneben: Abgeschossene Sekundärkonidie.Daneben: Mit Hyphen keimende Sekundärkonidie. Nach Webster & Weber (2007), S. 216, Abb. 7.43, d-g.

Messstrich für alle Bilder = 20 µm

Eingestellt am 15. März 2025

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Entomophthoromycetes, Verengtsporige Jochpilze

3 Erfolgreiche Landung (AP)

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Ob nun der erste, der zweite, gar erst der vierte

Als letzter Versuch zum Zufallsziel führt,

Bleibt für Entomophthora muscae[1] ohne Belang.

Enzymatisch[2], unterstützt von kräftigem Druck,

Durchbricht, keimschlauchtreibend[3] die Konidie[4]

Der Fliege[5] Cuticula[6], nistet im Innern sich ein.

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Hyphen[7] entwachsen dem eingedrungenen Teil,

Verzweigen sich gegen die Fettkörper hin,

Verbrauchen alles bis hin zum tausendstel Gramm;

Zergliedern sich in Hunderte wandlose Zellen danach,

Wandern, flexibel genug, zu Muscas Hämolymphkanal[8],

Lassen im ganzen Körper passiv sich verteilen.

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Setzt sich die Fliege für immer zur Ruh,

Werden die dünnwandigen Körper hyperaktiv,

Schieben mehrkernige, ab und an septierte Schläuche[9] zwischen des Hinterleibs Ringe[10],

Durchbrechen die vormals elastischen Falten,

Drängen, zur dichten Versammlung sich quetschend,

Mit konidienbildenden Zellen hervor;

Werden ihrer Bestimmung gerecht,

Schießen Ballistokonidien[11] um sich herum.

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Aus sich selbst, oder nach Zygogamie[12],

Ummanteln sich manche der innen liegenden Zellen

Mit widerstandsfähiger Wand,

Bleiben so lang im Kadaver, bis er zerbröselnd zerfällt.

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Fußnoten

[1] Entomophthora muscae: Fliegentöter (Entomophthoromycetes – Zygomycota – Multikarya – Unbegeißelte Chitinpilze – Fungi – …)

[2] Enzym: Protein, das, an spezielle Moleküle angepasst, Synthese oder Abbau katalysiert. Meistens werden mehrere Enzyme zu einem Komplex verbunden, um eine räumliche Nähe zwischen den einzelnen, aufeinanderfolgenden Syntheseschritten herzustellen

[3] Keimschlauch: Schlauchartige, zunächst querwandlose Struktur, mit der bewegliche oder unbewegliche, oft Überdauerungsstadien, auswachsen, „keimen“

[4] Konidie: Asexuell und nach außen gebildete Verbreitungseinheit

[5] Stubenfliege: Musca domestica (Muscidae – Calyptratae – Cyclorrhapha s.s. – Cyclorhapha s.l.  – Brachycera –…)

[6] Cuticula: Funktional als Außenskelett wirkende, von der Epidermis nach außen abgeschiedene Hülle eines Hochleistungsverbundstoffs aus Chitin und Strukturproteinen, die eine besondere Stelle, sich an Chitin zu binden, besitzen. Je nach Art und Struktur der Proteinkomponenten kann die Cuticula hart oder biegsam sein.

[7] Hyphen: Einzellreihige, zellwandumgebene Fäden von Pilzen mit Spitzenwachstum, mit oder ohne Querwände

[8] Hämolymphkanäle: Gefäßloses, offenes Kreislaufsystem für eine Körperflüssigkeit die eine Mischung aus Blut und Lymphflüssigkeit enthält

[9] Siphonocladal (Algen, Pilze): Schlauchartige, mit einzelnen Septen versehene Röhre (Hyphe), deren Abschnitte vielkernig sind

[10] Sclerit (Hexapoda, Insekten): Jeder ringsum durch eine Naht abgegrenzte harte Abschnitt, Segment, des Außenskeletts

[11] Ballistokonidien: Konidien, die aktiv abgeschossen, weggeschleudert, werden

[12] Zygogamie: Gametangiogamie der Zygomycota wird, wegen der Bildung von Zygophoren, auch als Zygogamie bezeichnet

Eingestellt am 15. März 2025

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Entomophthoromycetes, Verengtsporige Jochpilze

4 Der Schussmechanismen Geburt

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Bewegliche Nahrung zu fangen, ist Tieren meist kein Problem,

Sie schwimmen dorthin, springen und schleichen gezielt hinterher.

Pilzen[1], ortsgebunden, fest in Substraten[2] verzurrt,

Bleibt solche Wendigkeit vollkommen fremd.

Schleppend nur wachsen sie nährstoffträchtigen Räumen entgegen,

Zu langsam, um gegen Tiere Attacken zu führen.

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Von Wind und Wasser verbreitete Sporen

Treffen per Zufall nur das passende Ziel.

Ein Locken mit attraktiven Gerüchen,

Ein Wild-um-sich-Schießen,

Erfüllen viel eher der Pilze nach

Nahrung zu streben, den sehnlichen Wunsch. –

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Falls Glycogensynthese[3] nicht alles ergreift,

Bleibt Zucker[4], der Osmose[5] Motor in der Zelle,

Umgebendem Wasser als Eintrittsappell,

Bis hin zum Ausgleich des Zuckers Konzentration.

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Zuviel des Wassers führt meist nicht zu Gutem,

Dehnt, oft bis zum Platzen, der Behälter

Schwächste Stellen im Schutzwandsystem,

Mit Verlust von kostbarem Gut, wenn tatsächlich es birst.

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Nicht sorgfältig genug errichtete Wände

Nahe des Endes, unter dem Septum,

Zerbersten als Erste,

Halten der inneren Kraft nicht mehr stand,

Verschießen der Hyphen nicht ausreichend wandstabilies Ende

Zur Entlastung des Drucks.

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Lockere Mitten der Septen[6], die zumeist vorhanden,

Verspüren von beiden Seiten höher werdenden Druck

Auf der sich beulenden,

Zwangsläufig dünneren, halbiert nun liegenden Wand.

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Zwar mit letzter Kraft dem Druck widerstehend,

Reißen sie dennoch vom Rand her ein,

Spalten das Septum mit plötzlichem Ruck,

Geben das Köpfchen, mit halber Wand frei. –

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Entomophthora[7] wählte beide Methoden zu schießen

– Zerreißen der Zellwand unter dem Septum für der Primärkonidien[8] Katapult

Und Spalten der Querwand, Sekundärkonidien[9] fortzujagen –;

Nahe Verwandte jedoch,

Schießen nur mit sich spaltendem Septum

Ihr todbringendes Projektil.

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Enthomophthoromycetenbefall’ne Termiten[10], von Bernstein[11] umhüllt,

Zeugen bereits von ihrem oligozänen[12] Leben,

Doch zu urteilen, woraus der Abschuss wirklich bestand,

Dazu fehlt jedes Indiz.

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Fußnoten

[1] Pilze: Eine organismenreichübergreifende Bezeichnung für heterotrophe, mit Hyphen oder Hefen wachsende Lebewesen

[2] Substrat: Allgemeine Bezeichnung für feste, unterstützende, tragende oder nährende Substanz

[3] Glycogen: Ein hochverzweigtes Polysaccharid aus meist α-1,4 verknüpfter Glucose (mitunter α-1,6 am freien [–CH2OH] des Glucoserings); Speicherprodukt von Tieren, Pilzen und Bakterien

[4] Zucker: Kohlenstoffverbindungen mit einem doppelbindigen Sauerstoff [–C=O] am Ende der Kette, wenn in offener Form dargestellt, oder als Ringform mit einem einfachgebundenen Sauerstoff im Ring, und einer oder mehreren [–OH]-Gruppen; Summenformel meist [Cn(H2O)n]

[5] Osmose: Osmose ist die Diffusion eines Lösungsmittels (z. B. Wasser) durch eine für eine bestimmte Substanz nur in einer Richtung durchlässige Membran. Ziel der Diffusion des Wassers ist es, einen Konzentrationsausgleich zwischen den beiden durch die Membran getrennte Räume zu erreichen. Ist z. B. die Salzkonzentration oder Zucker-Konzentration innerhalb einer Zelle höher als außen, so wird so lange Wasser in die Zelle aufgenommen, bis es zu einem Konzentrationsausgleich kommt. Ist die Konzentration innerhalb der Zelle niedriger, so wird Wasser nach außen entweichen. Als Folge würde sich im ersten Fall die Zelle ständig vergrößern, bis sie unter Umständen sogar platzt, im zweiten Fall würde sie kollabieren. Zumindest das Zerplatzen infolge Osmosestresses kann durch eine widerstanderzeugende Zellwand verhindert werden.

[6] Septum (Algen, Pilze): Querwand eines einzellreihigen Fadens, eines Trichoms, eines Zellausläufers, einer Hyphe

[7] Entomophthora muscae: Fliegentöter (Entomophthoromycetes – Zygomycota – Multikarya – Unbegeißelte Chitinpilze – Fungi – …)

[8] Primärkonidie: Eine als erste gebildete Konidie, aus der eine zweite entsteht

[9] Sekundärkonidie: Konidie, die aus einer Primärkonidie entsteht

[10] Termiten: Termitidae (Isoptera – Blattodea – Dictyoptera – Polyneoptera – Neoptera –…)

[11] Bernstein: Klarer bis undurchsichtiger, gelber oder gelbbrauner Stein aus fossilem Harz

[12]  Oligozän-Zeit: Vor 34 – 23 Millionen Jahren

Eingestellt am 15. März 2025

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