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Streptomycetes, Strahlenbakterien i.e.S.
1 Fadenartig
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Die Zelle teilt sich immer wieder,
Doch die dicke Wand aus Murein[1]
Spreizt sich nur in Richtung langer Achse,
Bricht, neuer Vorschrift folgend, nicht entzwei.
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Verbleiben eng gereiht im Schlauch aus Murein,
Manche aber tanzen aus der Reih,
Teilen nicht sich quer zum langen Faden;
Der Länge nach vielmehr, verändern so der Reihe Schritt.
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Eine, gar die beiden Zellen setzen nun die neue Richtung fort.
Ihr Mureinschlauch bricht alsdann verspätet auf,
Seitenfäden sprießen Stück für Stück danach hervor;
Ummanteln dann allmählich sich mit dickem Mantel Murein.
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Eng verzweigt entsteht ein fädiges System
Mit Vorder- und mit Hinterpolen;
Steht senkrecht oftmals ab vom Grund
Zum Sporenbilden und Vermehren.
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Vielfältig zeigen sich die Propagulen[2];
Wo und wie und wann sie werden:
In Behältern, ob im Freien,
Wie sie eigne Wege geh‘n.
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Der Fäden Enden, kerzengrade, manchmal leicht gebogen, mitunter auch geschraubt,
Gar eng gedreht zur räumlichen Spirale,
Spalten sich in ungezählte Einzelzellen auf;
Der Wind erfasst sie, werden weit verweht.
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Sporangien[3], Behälter für die Sporen, bringen etliche hervor,
Gefüllt mit zukunftsvoller Fracht;
Geben winderwartend Turbulenzen ihre Saat,
Falls geißeltragend, Wasserfilmen ihre Zukunft mit.
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Äonen brauchte diese Vielfalt, so wie heute sie sich zeigt!
Besiedeln vieler Lebewesen Reste,
Manche hoffen gar auf Wirte,
Leben dann auf Fremder Kosten vollversorgt[4].
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Sie jedoch erwehren sich Belästigung durch andere!
Scheiden Abwehrstoffe[5] aus,
Die von vielen Menschen hochgeschätzt:
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Thermophilus[10], Feind und Schrecken aller Bauern,
Liebt die Hitze, trägt auch selbst dazu noch bei:
Entzündet Heu, das feucht gelagert,
Brennt den Stadel[11] unbarmherzig fort!
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Fußnoten
[1] Murein: Zellwand fast aller Bakterien, in der kettenförmig verbundene Zuckermoleküle, an denen Ammoniumgruppen (–NH2) hängen und diese wieder mit verschiedenen Molekülen verknüpft sind. Diese Ketten sind noch durch kurze Folgen von Aminosäuren verbunden und ergeben so einen sehr stabilen Sack um die Zelle (Abbildung unter „Bacteria 1 Steckbrief“)
[2] Propagulen: Allgemeine Bezeichnung für Verbreitungseinheiten
[3] Sporangien: Behälter für Verbreitungseinheiten jeglicher Art
[4] Parasitisch: Schmarotzendes Leben auf Kosten lebender Organismen
[5] Antibioticum: Ein natürlich gebildetes, oft chemisch modifiziertes, niedermolekulares Stoffwechselprodukt, von Pilzen oder Bakterien, das schon in geringer Konzentration das Wachstum anderer Mikroorganismen hemmt oder diese gar tötet.
[6] Streptomycin: Antibiotikum, das heute zum Bekämpfen von Bakterien verwendet wird und von zahlreichen Streptomycetes-Arten gebildet wird
[7] Chloramphenicol: Antibiotikum, das heute zum Bekämpfen von Bakterien verwendet wird; aus Streptomyces venezuelae gewonnen.
[8] Tetracyclin: Breitbandantibiotikum aus Streptomyces aureofaciens gewonnen
[9] Nystacin: Antimycoticum, Fungizid, aus Streptomyces noursei gewonnen.
[10] Steptomyces thermophilus: (Streptomycetes – Actinobacteria – Grampositive – Bacteria); produziert in feuchtem Gras und Heu extreme Hitze, die zum Entzünden trockeneren Materials führen kann. Dadurch sind schon Heustadel abgebrannt; auch Komposthaufen können sich auf diese Weise entzünden. Liegender Grasschnitt erhitzt sich derart, dass ein „Verbrühen“ der Hände erfolgen kann.
[11] Stadel: Holzschuppen zum Aufbewahren von Heu und Stroh
Eingestellt am 6. April 2024
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Streptomycetes, Strahlenbakterien i.e.S.
2 Staub
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Regentropfen und Winde verwirbeln die wenig Benetzbaren[1]
Weithin im sturmdurchwühlten Raum.
Drücken am Ende mit all ihrer Kraft
Die winzigen Sporen[2 ]in schützende Lücken des Bodens hinein.
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Trotz aller Vorkehr durchnässt,
Liegen sie wartend zwischen feuchter Organik,
Treiben langsam vorsichtig Schläuche in die Umgebung hinaus,
Zerlegen und nehmen, was ihre Wege verstellt.
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Wirr durchziehen auf Suche nach Nahrung
Sich weit verzweigende,
Nun leicht benetzbare[3] Fäden
Das überschwänglich mit Nutzbarem versehene Feld.
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Fußnoten
[1] Hydrophob (Gegensatz: hydrophil): wasserabstoßend
[2] Sporen (Bakterien): Dauerformen, die Bakterien ermöglichen auch unter ungünstigen Bedingungen (Hitze, Kälte, Austrocknung, Hungerzustand) zu überleben
[3] Hydrophil (Gegensatz: hydrophob): wasserfreundlich
Eingestellt am 6. April 2024
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Streptomycetes, Strahlenbakterien i.e.S.
3 Schlacht am Kalten Büffet
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Heiß umwerben auch fremde Mikroben den vielversprechenden Ort.
Doch Löcher bohrend und Lücken reißend,
Dringen die Fäden voran,
Schieben zur Seite, was dem Fressdrang im Weg.
Doch manche Bakterien machen nicht Platz,
Drängen sich unverschämt vor.
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Fähig, leergefegte Bereiche zu meiden,
Weiterwachsend rasch zu verlassen,
Können die Fäden schnell Konkurrenten entkommen,
Aber neue Wettbewerber warten bereits am anderen Ort.
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Wer kam als Erster wohl auf die Idee,
Antibiotisch[3] sie zu bekämpfen, an der Vermehrung zu hindern,
Dem Andrang zu widersteh’n?
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Ein Vorfahre erfand das Rezept.
Verknüpfte drei Hexosen[4] zur Kette,
Band drei Tri-Amino-Kohlenstoffe[5]
Raumgreifend an einen der äußeren Zucker,
Schickte das ganze durch seine Wand
Als Hemmstoff Konkurrenten entgegen.
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Trisaccharidisch[6], mit Stickstoff verseh‘n,
Durchdringt es, als zellwandähnlicher Zucker getarnt,
Der Angreifer Abwehr und landet
Im Zentrum der Proteinproduktion, am Fremdribosom[7].
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Wirkt Streptomycin[8] hochkonzentriert,
Werden Synthesen komplett torpediert,
Auch wenige Moleküle genügen schon
Für fehlerhafte Enzymproduktion [9].
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Der Fremden Zellvermehrung wird damit gestoppt.
Viele sterben bald darauf ab,
Unterstützen dabei – wer hätt‘ es gedacht –
Streptomyces[10] durch ihren eignen Zerfall.
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Das Fadenbakterium zeigt sich immun,
Verhindert weise den eigenen Tod,
Setzt Streptomycin gebunden nur frei,
Trennt danach erst ab das ihn schützende Teil.
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Fußnoten
[1] Voresser: Gemeint sind jene Bakterien, die sich schon reichlich bedient hatten und Nutzbares in der Menge verringert
[2] Mitesser: Gemeint sind gleichzeitig Substrat ausbeutende Bakterien
[3] Antibioticum: Ein natürlich gebildetes, oft chemisch modifiziertes, niedermolekulares Stoffwechselprodukt, von Pilzen oder Bakterien, das schon in geringer Konzentration das Wachstum anderer Mikroorganismen hemmt oder diese gar tötet.
[4] Hexosen: 6C-Zucker
[5] Tri-Amino-Kohlenstoff: Kohlenstoffe mit drei Amino-Gruppen [–NH2]
[6] Trisaccharid: Ein Zucker aus drei Hexosen
[7] Ribosom: Organell aus ribosomaler RNA und Proteinen. Es dient zur Translation der mRNA-Informationen in Proteine. Meist sind mehrere Ribosomen über die mRNA kettenartig verbunden, um zugleich mehrere Ablesevorgänge hintereinander ablaufen lassen zu können
[8] Streptomycin: Antibiotikum, das heute zum Bekämpfen von Bakterien verwendet und von zahlreichen Streptomycetes-Arten gebildet wird (Abbildung unter „Streptomycetes, 3 Schlacht am Kalten Büffet“)
[9] Enzym: Protein, das, an spezielle Moleküle angepasst, die Synthese katalysiert. Meistens werden mehrere Enzyme zu einem Komplex verbunden, um eine räumliche Nähe zwischen den einzelnen, aufeinanderfolgenden Syntheseschritten herzustellen
[10] Streptomyces sp.
Eingestellt am 6. April 2024
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Streptomycin (ppt generiert, Reinhard Agerer)
Streptomycin bindet an die 30S-Untereinheit der prokaryotischen 70S-Ribosomen, deformiert deren Struktur und hemmt damit die Bildung von Proteinen. Als Aminoglykosid-Antibiotikum, durchdringt es wegen der Zuckergrundstruktur kaum behindert der Bakterien Zellwand.Kohlenstoff: grau. – Sauerstoff: rot. – Stickstoff: blau. – Wasserstoff violett. Einfachbindungen: feiner Strich; Doppelbindungen: breiter Strich.
Eingestellt am 6. April 2024
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Streptomycetes, Strahlenbakterien i.e.S.
4 Im Vorteil
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Kaum ein Hemmnis bedrängt noch das Wachstum.
Verlängernd, verzweigend, mit Nahrung versorgt,
Durchdringen langezog‘ne verfilzende Fäden
Obere Schichten, sauerstoffnah.
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Zu dicht schon besiedelt, nährstoffverarmt,
Vielleicht auch zu trocken,
Zeigt sich nun der anfangs begehrte Ort:
Signalisiert Streptomyces, in die Lüfte zu gehen.
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Spiralig gedreht dem Boden entsprießend,
Zieh‘n Streptomyces‘ röhrige Fäden
Von oben beginnend, weitere Quersepten[1] ein,
Trocknen langsam die Zellwände aus.
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Staubtrocken zerfallen sie sukzessiv in pulvrige Massen,
Bieten dem Wind als Propagulen[2] sie an,
Gehen mit ihm auf die Reise,
Beginnen von neuem des Lebenslaufs Bahn. –
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Nimm eine Handvoll frisch gebrochener Erde,
Rieche und freu dich daran:
Geosmin[3], der Streptomyceten Werk,
Verleiht den bekannten faszinierenden Duft.
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Fußnoten
[1] Quersepten: Zellwände quer des Fadens
[2] Propagulen: Allgemeine Bezeichnung für Verbreitungseinheiten
[3] Geosmin: Typischer Geruch von Erde, verursacht von Streptomycetes und verschiedenen Cyanobacteria
Eingestellt am 6. April 2024
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Geosmin (ppt generiert, Reinhard Agerer)
Kohlenstoff: grau. – Sauerstoff: rot. – Wasserstoff violett. Einfachbindungen: feiner Strich
Eingestellt am 6. April 2024
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