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Propionibacteria, Propionsäurebakterien

1 Gedränge (TP)

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Was gibt es Schöneres für Propioni[1]

Als ein Bad in Lactat[2]?

Umgeben zu sein, von dem, was sie nährt,

Gasperlenbewegt, damit sie nicht sinkt?

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Milchsäure[3] nimmt in den Körper sie auf,

Wandelt je drei in Propionsäure[4] um,

Säuert mit Acetat[5] ihre Umgebung an,

Gibt CO2[6] dafür frei.

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Drei Moleküle Lactat

Ergeben zwei Moleküle der namenliefernden Säure, dazu

Zwei Einheiten Essigsäure, ein CO2

Und, Sinn der Veranstaltung, ein ATP[7].

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Woher nimmt sie das viele Lactat für ihr Leben?

Aus Zucker muss es gebildet sein, zerlegt durch Mikrobens‘[8] rastlose Tat.

Milchzucker[9], aus Glucose und Galactose[10] zum Pärchen geformt,

Brechen Enzyme entzwei, öffnen beiden den Ring,

Zerlegen sie in zwei Pyruvat[11] für Energiegewinn

Und jagen Lactat aus der Zelle hinaus.

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Propioni freut sich über Lactobacillus‘[12] hilfreiche Gabe,

Ihres fernen Firmicutes[13]-Verwandten;

Fühlt sich, begleitet von ihm,

Wohl in der angesäuerten Milch.

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Fußnoten

[1] Propioni: Propionibacterium (Propionibacteriaceae – Propionibacteria – Actinobacteria – Grampositive – Bacteria)

[2] Lactat: Salz der Milchsäure, Milchsäureion [CH3CHOHCOO-+ H+]

[3] Milchsäure: [CH3CHOHCOOH]

[4] Propionsäure: [CH3CH2COOH]

[5] Acetat: Salz der Essigsäure, Essigsäureion: [CH3COO-+ H+]

[6] CO2, Kohlendioxid: ein gestrecktes Molekül [O=C=O]

[7] ATP: Adenosin-tri-phosphat; bestehend aus Ribose und Adenin; Ribose trägt an seiner nicht in den Zuckerring einbezogenen Kohlenstoffgruppe drei hintereinander liegende Phosphatgruppen. Diese lineare Anordnung der Phosphate hat zur Folge, dass das dritte, äußerste Phosphat, mit seiner ihm dadurch innewohnenden Energie, diese leicht unter Abspaltung auf andere Moleküle übertragen kann

[8] Mikroben: hier Lactobacillus

[9] Milchzucker, Lactose: Zweierzucker aus Glucose und Galactose, die über eine β-1,4-glycosidische Bindung miteinander verknüpft sind

[10] Galactose: Ringförmiger Zucker mit sechs [C]-Atomen [C6H12O6]; der Ring besteht aus fünf [C]-Atomen und einem Sauerstoffatom; das restliche [C]-Atom hängt als [–CH2OH]-Gruppe an einem dem Sauerstoff benachbarten [C]-Atom; vier [–OH]-Gruppen stehen an [C]-Atomen des Rings, wobei [–CH2OH] und die dem Sauerstoff benachbarte [–OH]-Gruppe in gleicher Richtung stehen, und die beiden dem [–CH2OH] benachbarten [–OH]-Gruppen die gleiche Richtung wie das [–CH2OH] einnehmen.

[11] Pyruvat, Brenztraubensäureion: [CH3COCOO-+ H+]

[12] Lactobacillus: Lactobacillaceae, nicht behandelt (Firmicutes – Grampositive – Bacteria); meist stäbchenförmige Bakterien. Erzeugen durch Gärung Milchsäure

[13] Firmicutes: Grampositive (Bacteria)

Eingestellt am 6. April 2024

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Propionibacteria, Propionsäurebakterien

2 Dickes Ende (TP)

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Verfestigt, gestöckelt[1], liegt ruhig die Milch;

Nichts weist auf Leben in ihren Tiefen hin.

Myriarden[2] Zellen wirken zusammen,

Ergänzen sich prächtig, ahnen nicht, was ihnen bald blüht.

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Eine eng besaitete Harfe[3]

Durchschneidet schier ohne Ende den halbfesten,

Von Wänden zusammengehaltenen, weißlichen Block,

Bis der Bakterien Ordnung zerteilt, der Behälter durchmischt.

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Schon stürzen die Massen auf Sieb und auf Tuch,

Enden schlagen zusammen über dem Brei.

Gedrückt von kräftigen Pressen,

Läuft alle Molke[4] davon.

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Zu runden Formen zusammengedrückt,

Liegt Propioni[5] Lactobacillus[6] ganz nah,

Sieht unerwarteten Vorteil:

Bekommt auf kürzestem Wege Milchsäure[7] geliefert frei Haus.

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Langsam fermentieren[8] in Gemeinschaft sie weiter,

Produzieren Unmengen CO2[9].

Sich sammelnd in größeren Blasen,

Formen sie riesige Löcher im Laib[10].

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In Salzlake[11] gelegt, verweilt nun der Laib

Zum Schutz vor Fremdbakterien und wuchernden Pilzen[12];

Liegt reifend für Tage, Wochen und Jahre

Rastend in Reihe auf dem Regal.

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Nicht Propionsäure[13] allein

Verleiht den weltbekannten Geschmack[14],

Auch Alkohole[15], Ester[16] und Schwefelprodukte[17]

Erhöhen des Emmentalers Attraktivität.

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Fußnoten                           

[1] Gestöckelte Milch, Saure Milch: Durch Säure verfestigt sich die Milch; wird sie entnommen wirkt sie eckig-bröckelig, was als gestöckelt bezeichnet wird

[2] Myriarden: Zehntausende, Ungezählte

[3] Käseharfe: Besteht zumeist aus einem Edelstahlrahmen, in den bis zu 24 feine, parallel verlaufende Drähte gespannt sind. 

[4] Molke: Wässrig-grünlichgelbe Flüssigkeit, die bei der Käseherstellung entsteht; flüssiger Teil nach Gerinnung der sauren Milch durch leichte Erwärmung

[5] Propioni: Propionibacterium (Propionibacteriaceae – Propionibacteria – Actinobacteria – Grampositive – Bacteria)

[6] Lactobacillus: Lactobacillaceae, nicht behandelt (Firmicutes – Grampositive – Bacteria); meist stäbchenförmige Bakterien. Erzeugen durch Gärung Milchsäure

[7] Milchsäure: [CH3CHOHCOOH]

[8] Fermentieren i.e.S.: Gären eines Stoffes mit Hilfe von Mikroorganismen unter Sauerstoffausschluss (anaerob)

[9] CO2, Kohlendioxid: ein gestrecktes Molekül [O=C=O]

[10] Käselaib

[11] Salzlake, Lake: Wässrige Kochsalzlösung

[12] Pilze: Gemeint sind hier Schimmelpilze

[13]  Propionsäure: [CH3CH2COOH]

[14] Emmentaler Käse: Einer der wenigen (der erste) Käse, die mit zwei Bakteriensippen hergestellt werden, die in Gemeinschaft fermentieren, nämlich Propionsäurebakterien (Propioniacteria – Actinobacteria – Grampositive – Bacteria) und Lactobacillus

[15] Alkohole: Verbindungen, die eine oder mehrere (-O-H) besitzen. Die Hydroxylgruppe muss an ein C-Atom mit 4 Einfachbindungen binden (nach www.chemie.de)

[16] Ester: Organische Verbindungen aus einem Alkohol mit einer Säure: Art der Verknüpfung [–C–C(=O)–O–C–]

[17] Schwefelprodukte: Gemeint sind hier Molekül mit gebundenem Schwefel z. B. [–C–S–C–]

Eingestellt am 6. April 2024

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Propionibacteria, Propionsäurebakterien

3 Und der Anfang? (TP)

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Erleichtert von der Last ihrer Euter

Lagern wiederkäuende, mausgraue Kühe[1] auf blühender Alm[2],

Ohne einen Gedanken an Milch zu verlieren,

Vielleicht aber an der Sennerin[3] wohlig-wärmende Hand.

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Ob ihnen nicht doch eine schwache Erinnerung kommt,

An ihre vor Monaten noch ungeduldig saugenden Kälbchen und

Als vor kurzem die Milch sich vom Eimer

Über Siebe und Tücher in den hölzernen Bottich ergoss?

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Lange wohl war dieses Gefühl schon vorbei

Als der Senner, bedächtig rührend, Lab[4] dazugab,

Die Milch zu Flocken gerann

Und auch die letzte Welle im Becken verschwand.

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Nun war die Zeit für Lactobacillus[5] und Propioni[6] gekommen,

Sich aus den Ritzen des Holzes zu wagen,

Sich langsam belebend, der Süße der Milch zu bedienen,

Zellen Stunde um Stunde wieder und wieder zu teilen,

Bis, exponentiell[7] nun vermehrt,

Ihre Nachkommenschar des Holzfasses Inhalt ohne Lücke durchdringt.

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Wie Propioni sich in die Bottiche schlich,

Wann, bei welchem Senner dieses geschah, bleibt unbekannt.

Vielleicht schon als das erste Mal Lab aus den Mägen noch saugender Kälber

Der Milch zum Gerinnen verhalf,

Solange sie angenehm körperwarm war

Und so Propioni günstige Wachstumsbedingungen fand. –

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Als fertigen Käse rollt man die Laibe

Hinunter ins klein geratene Emmental[8].

Zum Ruhme der Schweiz,

Erobern sie Tische und Teller rund um die Welt.

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Fußnoten

[1] Hausrind, Milchkühe: Bos taurus (Bovini – Boodontia – Bovidae – Pecora – Ruminatia – …)

[2] Alm: Baumarme oder baumlose Bergwiese oder Bergweide

[3] Sennerin: Betreuerin von Kühen auf Almen und Verarbeiterin von Milch in Almhütten (Almen)

[4] Lab: Gemisch aus Enzymen (Chymosin und Pepsin), aus dem Labmagen junger Wiederkäuer im milchtrinkenden alter gewonnen und zum Ausfällen des Milcheiweißes bei der Käseherstellung genutzt. Gelegentlich wurden als Ersatz Pflanzen verwendet (Echtes Labkraut).

[5] Lactobacillus: Lactobacillaceae, nicht behandelt (Firmicutes – Grampositive – Bacteria); meist stäbchenförmige Bakterien. Erzeugen durch Gärung Milchsäure

[6] Propioni: Propionibacterium (Propionibacteriaceae – Propionibacteria – Actinobacteria – Grampositive – Bacteria)

[7] Exponentielles Wachstum: Wachstumsprozess, bei dem sich die Bestandesgröße jeweils in gleichen Zeitschritten immer um denselben Faktor vervielfacht; ein solcher Verlauf kann bei einer exponentiellen Zunahme durch die Verdopplungszeit angegeben werden. (Beispiel aus der Erzählung, wie jemand Unmögliches verlangte: so viel Weizenkörner zu bekommen, wie nach ständiger Verdopplung in Summe bis zum 32. Schachbrettfeld zusammenkommen: 1 + 2 + 4 + 8 + 16 + 32 + 64 + 128 + …  u.s.w.)

[8] Emmental: Schweizer Hügellandschaft im Berner Mittelland; die Emme ist der namengebende Fluss

Eingestellt am 6. April 2024

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