zum Glossar über:
Thermophile, Wärmeliebende
1 Abgebrüht
.
An rauh-heiße Flächen geklebt,
In brüh-heißem Wasser schon schwimmend,
Entziehen, Energie zu gewinnen, erste Bakterien
Elektronen[4] zuhauf,
CO2energiereich zu binden.
.
Dicht gedrängt leben sie,
Eng in Poren gepfercht,
Mit phylogenetisch noch jungen Archäen[5] zusammen.
In Konkurrenz vielleicht, oder doch in Win-Win-Situation?
.
Anaerob[6] und identischem Stress ausgesetzt,
Teilen die Erstlinge beider Domänen[7]
Schicksal und Nischen an der Flanke des Rauchers.
Doch Archäen finden sich hier viel besser zurecht.
.
Bakterien nutzen in reichlichem Maße
Die Nähe heißwassergewohnter Archäen,
Nehmen DNA-Stücke und Gene aus der Nachbarschaft
In ihr optimierungsbedürftiges eignes Genom.
.
Auch heute noch zeigt sich horizontaler Transfer[8]
In manchen hitzegewohnten Bakterien;
Nicht nur in Genen als bloße Information,
Nein, oft als fördernde Merkmale exprimiert.
.
Thermotoga[9], zum Beispiel,
Holte sich mehr als ein Fünftel der Gene
Von hyperthermophilen[10] Kohabitanten
Und lebt ausgezeichnet damit.
.
Thermodesulfobacterium[11],
Stabilisiert seine Membranen mit Ethern[12],
Nicht, wie die nahen Verwandten
Mit wenig hitzestabil sich gebenden Estern[13].
.
Aquifex[14], mit Außenmembranen versehen,
Übernimmt der Archäen parakristalline[15] schützende Schicht
Aus millionenfach sich wiederholendem Proteinmolekül[16],
Bindet die Zellen damit zum langen Trichom[17].
.
Viele verloren der Archäen Merkmale wieder,
Fliehen und meiden die Hitze,
Siedeln unter weniger stresshaften Umweltbedingungen
Sich anderswo an.
.
Fußnoten
[1] Schwefelwasserstoff, H2S: [H-S-H], ein geknicktes Molekül mit mittigem Schwefel
[2] Thiosulfate: Derivate der im freien Zustand unbeständigen Thioschwefelsäure [H2S2O3]; ihre Sulfatee enthalten das Thiosulfat-Anion S2O32-; Natriumthiosulfat [Na2S2O3] ist das stabilste Salz der in freiem Zustand instabilen Thioschwefelsäure (Wikipedia)
[3] Wasserstoff: H2: [H–H] ein Molekül aus zwei Atomen Wasserstoff, über eine Einfachbindung verknüpft; Wasserstoff ist das leichteste Element und besitzt nur ein Proton und ein Elektron (1H); (1H, Anzahl der Protonen = Ordnungszahl 1)
[4] Elektronen: Negativ geladene Bestandteile von Atomen, die den positiv geladenen Atomkern umgeben. Sie sind an den Atomkern gebunden und bilden die sogenannte Elektronenhülle des Atoms
[5] Archäen: Bilden zusammen mit Bakterien die sog. Prokaryo(n)ten, die noch keinen echten Zellkern und keine komplex gebauten Chromosomen besitzen. Sie unterscheiden sich grundsätzlich voneinander. Deshalb wurden die Archäen in den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts als eigene Organismen-Domäne der Domäne der Bakterien gegenübergestellt
[6] Anaerob: sauerstofffrei; Anaerobier leben nur unter sauerstofffreien Bedingungen
[7] Domänen (der Organismen): Mit dem systematischen Begriff Domäne werden die drei sich stark voneinander unterscheidenden Organismensippen Bacteria, Archaea und Eukarya belegt.
[8] Horizontaler Gentransfer: Im Gegensatz zum vertikalen Gentransfer (von einer Generation zur anderen) wird beim horizontalen Gentransfer genetisches Material, DNA-Bruchstücke, auf andere Individuen, andere Arten oder sogar auf andere Organismengruppen übertragen. Dies kann direkt erfolgen (Transformation) oder mit Fremdhilfe
[9] Thermotoga: Extrem thermophile stäbchenförmige, gramnegative, obligat anaerobe Bakterien, die von einer scheidenartigen Hülle umgeben sind. Der Stoffwechsel ist chemoorganotroph, Zucker und deren Polymere werden vergoren (Lexikon der Biologie)
[10] Hyperthermophil: Mikroorganismen sind Organismen, deren Wachstumsoptima über 80 °C betragen, und die je nach Art bei bis zu 113 °C wachsen können.
[11] Thermodesulfobacterium: gramnegative, stäbchenförmige hyperthermophile, bewegliche oder unbewegliche, anaerobe Sulfatreduzierer; chemoorganotroph oder obligat chemolithoautotroph
[12] Ether, Äther: Verbindungen, bei denen zwei Kohlenstoffmolekülreste über ein zentrales Sauerstoffatom verbunden sind [–C–O–C–]
[13]E ster: Organische Verbindungen aus einem Alkohol mit einer Säure: Art der Verknüpfung [–C–C(=O)–O–C–]
[14] Aquifex: hyperthermophil, microaerophil, chemolithoautotroph; an vulkanischen unterseeischen Quellen
[15] Parakristallin: Teilkristalline Substanz mit gewisser Nahordnung, Fernordnung aber nur statistisch feststellbar
[16] Protein: Proteine: Aus Aminosäuren aufgebaute, komplexe Moleküle. Die [–NH2]-Gruppe einer Aminosäure wird mit der Hydroxylgruppe [–OH] der Säurefunktion [–COOH] unter Wasserabspaltung verknüpft, dabei entsteht eine charakteristische Abfolge von Atomen: [–C–N–C–C–N–]n, wobei das unmittelbar dem [N] benachbarte [C] einen doppelbindigen Sauerstoff [–C=O] trägt
[17] Trichom, Haar, Faden: fadenförmiger Organismus oder fadenförmiger Teil von Organismen
Eingestellt am 6. April 2024
.
Hitzestabil (Kreidezeichnung, Reinhard Agerer)
Eingestellt am 6. April 2024
.
Thermophile, Wärmeliebende
2 Taq-Geber
.
Wärme erleichtert das Leben,
Bringt Prozesse schneller voran,
Unterstützt Bewegungen innen und außen,
Befördert zellulären Transport.
.
Hitze freilich, zumal wenn zu groß,
Erschwert manche Synthese in doppelter Sicht:
Molekulares Erzittern behindert zielorientiertes Begegnen.
Regen sich ständig, werden, sich immer mehr lockernd,
In Faltensystemen weithin gelöst.
.
Beständiger Faltungsmethoden und Haltesysteme bedürfen,
Weil schicksalsentscheidend für nächste Generationen,
Enzyme[3] für Proteinsynthese,
Besonders für Replikation[4].
.
DNA-Polymerasen[5], geschaffen für haargenaues Replizieren der Gene,
Brauchen verlässliche Stabilität,
Um nach Trennen und Positionieren der DNA Holme,
Nucleotide[6] ohne Fehler zusammenzubinden.
.
Thermus aquaticus[7], ein Name wie ein Programm,
Fühlt sich nur wohl
Bei fünfzig Grad, auch etwas mehr,
Passte sich heißen Umgebungen an.
.
Seine Polymerase, hitzestabil,
Beginnt den Siegeszug rund um die Welt.
Erobert Labore, vermehrt DNA,
Wenn sie im wohltemperierten, gepufferten Bad,
Zwei Primer[8], je als spezifischen Block für Start und Stopp,
.
Mediziner, Biologen, Pharmazeuten, Kriminalisten
Optimieren aufgereinigter Polymerase Wirkungsdesign:
Lösen der DNA Brücken mit 90 Grad Celsius Temperatur,
Unterstützen damit das hitzestabile Enzym.
.
Startprimer aus speziell konstruierten Oligonucleotiden[11],
Setzen sich bei vierzig Grad kühlerem Bad
An komplementäre Basensequenzen.
Weisen der Polymerase den Weg,
.
Bis ein zweiter Primer fürs Erste sie stoppt.
Temperaturen werden zyklisch erniedrigt und wieder erhöht,
Bis aus Mangel an Nucleotiden der Polymerase Aktivität allmählich erlischt
Und mit Polymerase Hilfe vorgelegte DNA ist exponentiell[12] schon vermehrt.
.
Gereinigt, auf Gelen der Länge nach elektrisch[13] sortiert,
Nimmt der Forscher gewonnene multiplizierte Produkte,
Analysiert in modernsten Apparaturen der Nucleotide Sequenz,
Vergleicht sie mit Basenfolgen[14] nahe und fern verwandten Geschöpfs.
.
Nicht jedes Gen ist für Vergleiche geeignet,
Ähnlichkeiten und Änderungsfolgen zu finden.
Auf kaum variable, dennoch über längere Zeiten veränderte Gene,
Richtet der Forscher den prüfenden Blick.
.
Zu basalen, Sine-Qua-Non-Funktionen, müssen die Gene gehören:
Wie Gene für rRNA[15] mit zwischenliegenden,
Nicht funktionalen Regionen[16], deren Nucleotidentausch
Nicht der Organismen Schicksal bestimmt.
.
So revolutionierte Thermus aquaticus
Mit hitzestabiler Polymerase,
Kurz Taq-Polymerase[17] genannt,
Erkenntniswelt und Forschung der Menschheit.
Seines verborgenen Könnens Entdecker[18]
Wurde mit dem Nobelpreis gekrönt.
.
Fußnoten
[1] Wasserstoffbrückenbindung: Intermolekulare Anziehungskraft zwischen einem gebundenen Wasserstoffatom und einem freien Elektronenpaar eines Atoms, das sich an einem nahegelegenen Molekül befindet.
[2] Faltung von Proteinkomplexen: Entsprechend möglicher Bildungsstellen von Wasserstoffbrücken, falten sich Proteine zusammen; die gefaltete Endgestalt hängt von Art und Folgen der Aminosäuen ab
[3] Enzym: Protein, das, an spezielle Moleküle angepasst, die Synthese katalysiert. Meistens werden mehrere Enzyme zu einem Komplex verbunden, um eine räumliche Nähe zwischen den einzelnen, aufeinanderfolgenden Syntheseschritten herzustellen
[4] Replizieren, Replikation: Replikation dient dazu, DNA in einer Zelle zu verdoppeln. Sie wird also dazu benötigt, Erbinformationen an jede neue Zelle weiterzugeben.
[5] Polymerasen: Gruppe von Enzymen, welche die Synthese von Polynucleotiden aus Nucleotidtriphosphaten als monomere Vorstufen (Einzelvorstufen) katalysieren
[6] Nucleotide: Desoxyribonucleosid- bzw. Ribonucleosidtriphosphate
[7] Thermus aquaticus: Thermophiles, aerobes, chemoorganotrophes, gramnegatives Bacterium, in heißen Quellen bei 50 bis 80oC vorkommend
[8] Primer: Oligonucleotid, das für DNA-replizierende Enzyme (wie die DNA-Polymerase) als Startpunkt (oder Endpunkt) dient
[9] Nötige vier Nucleotide: ATP (Adenosindriphosphat), TTP (Tymidintriphosphat), CTP (Cytosintriphosphat), GTP (Guanosintriphosphat)
[10] Bivalente Kationen: Zweifach positiv geladene Ionen, z. B. hier Mg++
[11] Oligonucleotide: kürzere Ketten aus Nucleotiden
[12] Exponentielles Wachstum: Wachstumsprozess, bei dem sich die Bestandesgröße jeweils in gleichen Zeitschritten immer um denselben Faktor vervielfacht; ein solcher Verlauf kann bei einer exponentiellen Zunahme durch die Verdopplungszeit angegeben werden. (Beispiel aus der Erzählung, wie jemand Unmögliches verlangte: so viel Weizenkörner zu bekommen, wie nach ständiger Verdopplung in Summe bis zum 32. Schachbrettfeld zusammenkommen: 1 + 2 + 4 + 8 + 16 + 32 + 64 + 128 + … u.s.w.)
[13] Gelelektrophorese: Eine Mischung aus zu trennenden Olgonucleotiden wandert unter dem Einfluss eines elektrischen Feldes durch ein Gel. Je nach Größe und negativer Ladung der Moleküle bewegen sich diese unterschiedlich schnell durch das Gel. Dabei wandern die kleinen Nucleotide als Anionen am schnellsten in Richtung der positiv geladenen Kathode, größere langsamer; so werden die Stücke nach ihrer Länge aufgetrennt.
[14] Basenfolgen: Abfolge der vier Nucleotide
[15] rRNA: ribosomale RNA; DNA-Bereiche, die für rRNA codieren
[16] ITS,InternalTranscribedSpacer: Gene sind oft durch sog. nichtcodierende DNA-Abschnitte getrennt, die erst nach dem Ablesen durch Spleißosomen entfernt werden
[17] Taq-Polymerase: Polymerase vonThermusaquaticus
[18] Kary Mullis (1944-2019); Biochemiker, entwickelte 1985 die PCR-Methode; Nobelpreis 1993
Eingestellt am 6. April 2024
.
Tanz der Nucleotide (Kreidezeichnung, Reinhard Agerer, 2015)
Taq-Polymerase (in den Ecken links unten und rechts oben); Start- und Stop-Primer (in den Ecken rechts unten und links oben); die vier Nucleotide dazwischen (grün: Cytosin; blau: Guanin; gelb: Adenin; dunkelrot: Thymin); Girlanden davon (links unten und rechts oben zu Zierbändern gereiht); eine nicht „geschmolzene“ DNA (als Schraube links oben mit entsprechend gefärbten Nucleobasen) und zu analysierende DNA in ihre Hälften getrennt (mittig schräg links und schräg rechts; dazwischen nochmals Nucletoide).
Eingestellt am 6. April 2024
.
Ansturm (Kreidezeichnung, Reinhard Agerer, 2016)
Die beiden unterschiedlichen spezifischen Primer (violettes Zuckerrückgrat) legen sich bei abgesenkter Temperatur an die durch hohe Temperatur einzelsträngig gewordene DNA. Mit Hilfe der Taq-Polymerase (braun: Enzym) verlängern sich bei derReaktion die Primer bis sie zur Bindungsstelle des zweiten Primers kommen. Zwischen beiden liegt das gewünschte zu vervielfältigende DNA-Stück. Die beiden Primer begrenzen somit die gewünschte Region; das erste Glied der Kette (Chain) ist synthetisiert. Bei wieder erhöhter Temperatur lösen sich die primerbegrenzten Oligonucleotide vom DNA-Strang ab (Wasserstoffbrücken werden gelöst), der damit wieder einzelsträngig vorliegt. Erneute Abkühlung lässt neue der vielen zugesetzten Primerindividuen an die einzelsträngig gewordene DNA, ein zweites Kettenglied wird synthetisiert und geht dann bei erneut erhöhter Temperatur von der Matrize ebenfalls ab u. s. w., bis alle zugegebenen Nucleotide aufgebraucht sind. Anschließend werden die vielen synthetisierten DNA-Stücke zusammen separiert, gereinigt und ihre Basensequenz bestimmt. (grün: Cytosin; blau: Guanin; gelb: Adenin; dunkelrot: Thymin).
Eingestellt am 6. April 2024
.
Endpunkt erreicht