zum Glossar über:
Eustigmatophyceae, Augenalgen
1 Kulleraugen (HP)
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Minima[1 ist viel zu klein, um größere Algen zu fangen!
Fing dennoch eine, eine seltsame zwar und eukaryotisch[2],
Und verbrachte ihr seltsames Leben nahe am Abgrund der Evolution.
Als Hauptxanthophyll, das zum Lichtsammeln verwendet,
Wirkt Violaxanthin[11]: unbekannt in anderen Organismen, zumindest für diesen Zweck.
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Zu ihrem Glück nahm Minima die Seltsame in Pflege,
Verhalf ihr so zum fortdauernden Leben.
Nimmt jedoch einen Teil als Belohnung von ihr.
Bereitwillig lässt sie’s gescheh’n und
Traf damit die bessere Wahl,
Denn ihre freien Verwandten vergingen, sind nicht mehr zu seh‘n.
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Einer Sorge ist Minima jetzt schon enthoben.
Schwimmt als Chlorominima[12],
Auf des Gastes Können vertrauend,
Weg vom gewohnten, lebenserhaltenden Raum.
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Orientierungslos irrt sie freilich umher,
Verfehlt ihr Ziel, taucht ein ins Dunkel am Grund. –
Empfindet den grünen Bewohner allmählich als Last,
Wird ihn aber doch nicht mehr los.
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Des Lichtes Richtung gält‘ es zu orten!
Doch die aufgenommene Kokke[13], blind wie sie ist,
Trägt nicht dazu bei, das Problem ihr zu lösen.
So liegt die ganze Verantwortung bei Chlorominima selbst. –
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Ein kleines Kügelchen Carotinoid
Schiebt sie über den chlorophyllbeladenden Gast.
Ein zweites folgt, neue dazu,
Bis ein Schatten den Herbergsnehmer erfasst.
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Sie wendet sich nun, den Schatten zu flieh‘n,
Doch oft vergeblich war ihr Bemüh‘n,
Bis endlich der Schatten hinter der Geißelbasis verschwand
Und – wundersam – sie dann immer im Licht sich befand.
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Chlorominima drängt jedoch die orangenen Globuli dicht ans vordere Ende;
In die Tiefe der Zelle verzog sich aber der Gast.
Sie hält ihre rundlichen Tropfen auf Abstand,
Damit sie nicht zur Riesenkugel verschmelzen,
Denn ohne Membranen, frei im Plasma versammelt,
Ist große Vorsicht geboten, sie in Gemeinschaft, dennoch separat zu halten. –
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Eustigmatos[14] kennt nun die Richtung des Lichts,
Vergrößert die Schattenwirkung der Geißel
Auf dem dichtkugligen Fleck, um selbst die Kontrolle zu führen,
Liegt doch der Fremdchloroplast viel zu weit weg:
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Mit eckigem Segel versieht sie basal die nach vorne schlagende Geißel[15],
Überschirmt damit das Komplexkugelauge,
Deckt es beim Schwimmen zum Licht fast vollständig zu,
Bestätigt hiermit Eustigmatos den kürzesten Weg hin zum leuchtenden Ziel. –
Verzichten auf eigenen Antrieb.
Erzeugen im Innern jedoch meist noch beweglichen Nachwuchs,
Entlassen ihn ins Pelagial[18].
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Was ist unzureichend an diesem System?
Fragt sich verwundert die Evolutionsbiologie.
Denn kaum mehr als einhundert Arten sind uns erhalten
Aus lang verflossener Zeit.
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War es der Endosymbiont, der nicht hielt, was er versprach,
Nur Chlorophyll a dem System übergab?
Oder ist es fehlender Sex,
Der dieser Verwandtschaft keinerlei Vielfalt bescherte?
Ein früher Verlust der Geißeln gar,
Damit der Auftriebshilfen Verlust?
Wir wissen es nicht.
Ihre Kulleraugen aber sind heute noch attraktiv.
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Fußnoten
[1] Minima: Bezeichnung für einen hypothetischen Vorfahren der Eustimatophyceae
[2] Chloroplasten, sekundäre: Sind durch Aufnahme und Endosymbiose eines bereits chloroplastenbesitzenden Eukaryoten entstanden, so wie dies für alle Chromophyta gilt. Der aufgenommene Eukaryot wurde bis auf den Chloroplasten fast gänzlich reduziert; gelegentlich geben Nucleomorphe noch Hinweis darauf und der in Chloroplasten erhaltene Augenfleck. Auch die durchgehende ER-Cisterne um den Chloroplasten herum kann als Indiz für einen aufgenommenen Eukaryoten betrachtet werden: Hierbei gilt die innere Lipiddoppelmembran dieser ER-Cisterne als Plasmalemma der endocytotisierten Alge, die äußere als Membran der Verdauungsvakuole des aufnehmenden heterokonten Eukaryoten.
[3] Chlorophyll c: Unterscheidet sich von Chlorophyllen a und b grundsätzlich nur durch das Fehlen des Phytolrestes, der Chlorophyll a und b charakterisiert.
[4] Chlorophyll b: Bestehend aus Porphyrinringsystem mit angehängtem Phytolrest, besitzt am Kohlenstoff in Position 7 des Porphyrinringsystems eine Methylgruppe [–CH3] und am Kohlenstoff in Position 8 eine Aldehydgruppe [–CHO].
[5] Chlorophyll a: Bestehend aus Porphyrinringsystem mit angehängtem Phytolrest, besitzt am Kohlenstoff in Position 7 des Porphyrinringsystems eine Methylgruppe [–CH3] und am Kohlenstoff in Position 8 eine Ethylgruppe [–CH2CH3].
[6] Gürtellamelle: Als Gürtellamelle werden zu Dreierstapeln angeordnete Thylakoide bezeichnet, die unmittelbar unterhalb der Chloroplastenmembran rundum verlaufen
[7] Thylakoide: Membraneinstülpungen der Cyanobakterien, die damit ihre innere Oberfläche vergrößern; solche Einstülpungen der inneren Chloroplastenmembran finden sich in unterschiedlicher Anordnung auch in Chloroplasten. Hier findet die Lichtreaktion der Fotosynthese statt und die Produktion von ATP.
[8] Chloroplasten, primäre: Durch Endosymbiose entstandene Organelle. Ihre Herkunft von Blaualgen ist durch mehrere Merkmale gesichert. Die innere Membran hat bakteriellen Charakter, die äußere ähnelt Membranen der Eukaryoten; ringförmgie DNA in Chloroplasten weist ebenfalls auf bakteriellen Ursprung hin, wie auch enthaltene 70S-Ribosomen. Phycobilisomen bei Glaucophyta, Cryptophyta und Rhodophyta, wie sie bei Cyanobakterien auftreten, sind ebenfalls Hinweis auf der Chloroplasten endosymbiotische Herkunft.
[9] Flagellum, Geißel (Eukaryageißel): Charakterisiert durch ihren internen Bau aus 9 peripheren, etwas schräg nach innen gestellten Doppelmikrotubuli (Querschnitt durch die Geißel) und durch ein zentrales Tubulipaar, das etwas Abstand voneinander hält. Dyneinarme verbinden die Mikrotubuli. Die Geißel ist von der Zellmembran umgeben und gefüllt mit Cytosol. Am Übergang der Geißelbasis in den Zellkörper treten spezielle Verstrebungen, Verstärkungen, auf; eine dünne Querplatte trennt oft den untersten, in die Zelle integrierten Teil, der in seiner Struktur einem Centriol entspricht: Es fehlen die beiden zentralen Mikrotubuli und die peripheren Zwillinge wurden zu Drillingen. Die in der Zelle gelegenen Teile der Geißel sind noch durch verwandtschaftsabhängig gestaltete Haltestrukturen verwurzelt.
[10] Augenfleck: Ansammlung von aus Carotinoiden bestehenden Pigmenten einiger Einzeller. Neben dem Augenfleck befindet sich eine charakteristische Protoplasmaschwellung, die einen Fotorezeptor enthält.
[11] Violaxanthin: Zur Gruppe der Xanthophylle gehörender, gelblicher Pflanzenfarbstoff, der zusätzlich zu Chlorophyllen als Farbstoff der Chloroplasten vorhanden ist, was ihnen, allerdings nur bei Eustigmatophyceae, erlaubt, effizienter Fotosynthese zu betreiben, da Violaxanthin vor allem den grünlichen Teil des Lichts absorbiert, den Chlorophyll ungenutzt reflektiert und durch diesen Farbstoff die Fotosynthese effizienter gestaltet.
[12] Chlorominima: Bezeichnung für einen hypothetischen Vorfahren der Eustimatophyceae und für einen Nachfahren der hypothetischen Minima
[13] Coccale Alge: Unbewegliche, runde oder ellipsoide, einzellige Alge, ohne aufquellende, schleimige Zellwand
[14] Eustigmatos: Kulleraugenalge (Eustigmatophyceae – Straminipila – Wimpeola – Chromalveolata – Eukarya)
[15] Wimpergeißel: Geißel mit Mastigonemen
[16] Flagellat: Begeißelter, einzelliger Organismus; oder als Eigenschaft: mit Geißel versehen
[17] Kokken: Unbewegliche, runde oder ellipsoide, einzellige Organismen, ohne aufquellende, schleimige Zellwände
[18] Pelagial: Uferferner Freiwasserbereich oberhalb der Bodenzone (Benthal)
Eingestellt am 14. Juni 2025
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