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Labyrinthulomycetes, Netzschleimpilze

1 Labyrinth (HP)

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Schleimbedacht schmiegt sich Labyra[1] an einen mit Leben bedeckten Hang.

Lagert Enzyme[2] um sich in der Hülle.

Zerlegt, was sie findet, in kleine Portionen,

Nimmt durch die Membran[3] sie auf.

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Lebt auf Kosten der nahen Umgebung,

Bleibt mit Bedacht am günstigen Ort

Und zieht, weil ohnehin hinderlich,

Die Geißeln[4] konsequenterweise zurück.

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‚Nimmst du, so nehmen auch wir‘, lautet die Antwort der Nachbarn.

So sinnt Labyra nach wirksamem Schutz:

Schickt Dictyosomenvesikel[5],{6],

Jedes befüllt mit plättchenförmigem Polyglucan[7],

An die gefährdete Front,

Schleust sie allseits durch die Membran[8],

Panzert sich mit dichtgefügtem,

Feingliedrig beweglichem Schild.

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Es staut sich manch ein Strom von Vesikel an bevorzugten Stellen,

Häufen den Inhalt zum Pfropf inmitten der Plasmamembran:

Sie stülpt sich nach außen, durchbricht die schützende Hülle[9],

Gefüllt nur von gelartiger Masse[10], denn ihr Pfropf hält Organelle zurück[11].

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Eng in Kontakt mit dem schuppigen Panzer,

Umfließen plasmagefüllte Kalotten[12] Labyra rundum,

Verschmelzen, die ganze Zelle umschließend,

Zum schleimbefüllten, ungegliederten Raum.

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So gebettet liegt Labyra

Nun umschlossen von allseits membranumgrenzter, puffernder Hülle.

Enzymbefüllt, ist Labyra allzeit bereit,

Jedem Angriff aus der Umgebung Paroli zu bieten,

Auftreffende Minipartikel erfassend,

Schnell zu zerlegen und

Aufzunehmen in den plasmatischen Raum.

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Bald schon erkennt Labyra den Vorteil,

Im Rückraum geschützt, aus der Hülle sich zu bedienen.

Mitotisch[13] sich teilend, vermehrt sie die Zellen,

Verlängert, verzweigt, erweitert die schleimige Spur.

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Zwillinge liegen Spitze an Spitze beisammen,

Doch sie verweilen nicht lange als Pärchen.

Aktinfibrillen[14] drängen sie weiter:

Gleiten für sich im Schleimbett dahin.

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Das Gleiten beendend, legen sich manche zur Ruh;

Brauchen die Zeit, sich neu zu sortieren,

Um zwei mal vier Zellen das Leben zu geben,

Sie zu entlassen, damit sie eigene Wege dann geh’n:

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Es rumort in der Zelle,

Denn unruhig zappeln acht Planosporen[15] eingeengt im Behälter.

Vermeiden geschickt ein Verknoten der

Mehrfach köperlang schwingenden Wimperflagellen,

Bis sie, endlich die Zelle verlassend,

Durch zähflüssiges Gel angestrengt rudernd, Freiheit gewinnen. –

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Augen auf und Wimpern voran, heißt die Devise.

Dem Licht entgegen schwimmen sie nun.

Doch wozu denn braucht Labyrinthula[16] Augen[17] fürs Licht?

Kein Chloroplast[18],[19] färbt sie grün.

Findet sie dort einen Partner, wo

Alle nun hinzieh‘n?

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Verschmelzen dann zwei zur Zygote?

Schwimmen vereint eine Weile,

Landen an Orten mit sauerstoffträchtigem Wasser

Und starten neu ins netzig-schleimige Leben?

Sie verzichten wieder auf Peilung und

Gleiten in Blindheit dahin.

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Differentiell exprimiert[20] werden Gene

In gleitenden Zellen und rudernden Schwärmern[21].

Warum Carotinoide[22] ohne Sinn und Zweck reservieren,

Falls eine andere Stelle sie dringender braucht?

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Fußnoten

[1] Labyra: Bezeichnung für hypothetischen Vorfahren der Labyrinthulomycetes

[2] Enzym: Protein, das, an spezielle Moleküle angepasst, Synthese oder Abbau katalysiert. Meistens werden mehrere Enzyme zu einem Komplex verbunden, um eine räumliche Nähe zwischen den einzelnen, aufeinanderfolgenden Syntheseschritten herzustellen

[3] Plasmalemma: Zellmembran (Lipiddoppelmembran) von Organismen; wird oft als Gegenstück zum Tonoplasten betrachtet, der im Zellinneren eine größere Saftvakuole umgibt

[4] Flagellum, Geißel (Eukaryageißel): Charakterisiert durch ihren internen Bau aus 9 peripheren, etwas schräg nach innen gestellten Doppelmikrotubuli (Querschnitt durch die Geißel) und durch ein zentrales Tubulipaar, das etwas Abstand voneinander hält. Dyneinarme verbinden die Mikrotubuli. Die Geißel ist von der Zellmembran umgeben und gefüllt mit Cytosol. Am Übergang der Geißelbasis in den Zellkörper treten spezielle Verstrebungen, Verstärkungen, auf; eine dünne Querplatte trennt oft den untersten, in die Zelle integrierten Teil, der in seiner Struktur einem Centriol entspricht: Es fehlen die beiden zentralen Mikrotubuli und die peripheren Zwillinge wurden zu Drillingen. Die in der Zelle gelegenen Teile der Geißel sind noch durch verwandtschaftsabhängig gestaltete Haltestrukturen verwurzelt.

[5] Dictyosom, Netzorganell: Oft tellerförmig anmutende Cisternen treten gern in gestapelter Weise auf, an deren Rändern Vesikel abgeschnürt werden; jedes einzelne Organell der Zelle wird oft als Dictyosom (Netzorganell) bezeichnet, während alle Organelle zusammen als Golgi-Apparat geführt werden.

[6] Vesikel (Zellvesikel): Kleine, abgegliederte, rundliche, doppelmembranumhüllte Behälter.

[7] Polyglucan: Substanz aus vielen Glucosemolekülen

[8] Plasmalemma

[9] Aus Polyglucanplättchen

[10] Ektoplasma (Einzeller): Äußerer, organellen- und granulafreier cytoplasmatischer Bereich des Protoplasten

[11] Bothrosom, Sagenogenetosom: Ein in das Plasmalemma integriertes Organell, das einen Pfropf bildet zwischen dem in der Zelle liegenden Endoplasma und außerhalb der Zelle liegendem nach außen hin mit Plasmalemma abgegrenztem Ektoplasma.

[12] Kalotte: Teil eines Kugelkörpers, der durch den Schnitt mit einer Ebene abgetrennt wird

[13] Mitose, mitotisch, abgekürzt M!: Im Kern mittig in einer Ebene versammelte Chromosomen bildeten je zwei identische Chromatiden, die bei der Mitose durch Mikrotubuli separiert werden und, von einer Zellwand getrennt, als identische Chromosomensätze der entstandenen Zellen wirken

[14] Actin,Fädiges Actin: Actin ist ein häufiger Bestandteil des Cytoskeletts und kommt besonders in Muskelzellen vor; zu Fäden polymerisiert (F-Actin), dient es der Stabilisierung der äußeren Zellform sowie der Ausbildung von Zellfortsätzen, intrazellulären Verlagerungen und gerichteten intrazellulären Bewegungen

[15] Planosporen: Zoosporen

[16] Labyrinthula: Netzschleimpilz (Labyrinthulomycetes – Straminipila – Wimpeola – Chromalveolata – Eukarya)

[17] Augenfleck-Geißel-Beschattungssystem (Chromophyta): Dafür existiert an der nach hinten gerichteten Peitschengeißel basal eine Anschwellung, die beim Schwimmen hin zum Licht ihren Schatten auf den im Chloroplasten liegenden Augenfleck wirft; der Flagellat kann damit seine Orientierung zum Licht erkennen und seine Schwimmrichtung danach wählen.

[18] Chloroplasten, primäre: Durch Endosymbiose entstandene Organelle. Ihre Herkunft von Blaualgen ist durch mehrere Merkmale gesichert. Die innere Membran hat bakteriellen Charakter, die äußere ähnelt Membranen der Eukaryoten; ringförmgie DNA in Chloroplasten, weist ebenfalls auf bakteriellen Ursprung hin, wie auch enthaltene 70S-Ribosomen. Phycobilisomen bei Glaucophyta und Rhodophyta, wie sie bei Cyanobakterien auftreten, sind ebenfalls Hinweis auf der Chloroplasten endosymbiontische Herkunft.

[19] Chloroplasten, sekundäre: Sind durch Aufnahme und Endosymbiose eines bereits chloroplastenbesitzenden Eukaryoten entstanden, so wie dies für alle Chromophyta gilt. Der aufgenommene Eukaryot wurde bis auf den Chloroplasten fast gänzlich reduziert; gelegentlich geben Nucleomorphe noch Hinweis darauf und der in Chloroplasten erhaltene Augenfleck. Auch die durchgehende ER-Cisterne um den Chloroplasten herum kann als Indiz für einen aufgenommenen Eukaryoten betrachtet werden: Hierbei gilt die innere Lipiddoppelmembran dieser ER-Cisterne als Plasmalemma der endocytotisierten Alge, die äußere als Membran der Verdauungsvakuole des aufnehmenden heterokonten Eukaryoten.

[20] Exprimieren (Gene): Als Genexpression bezeichnet man die Bildung eines von einem Gen kodierten Genprodukts, vor allem von Proteinen oder RNA-Molekülen.

[21] Schwärmer: Allgemeiner Ausdruck für begeißelte, bewegliche Zelle (Zoospore oder Gamet)

[22] Carotinoide: Carotinoide sind lineare Kohlenwasserstoffe mit vielen konjugierten Doppelbindungen (= benachbarte Kohlenstoffatome sind in wechselnder Abfolge mit einer einfachen und einer Doppelbindung miteinander verknüpft), an deren beiden Enden jeweils ein Kohlenstoffring aus sechs Atomen hängt. Je nach Lage einer Doppelbindung in diesen Sechserringen und ob eine Hydroxylgruppe [–OH] oder andere zusätzliche Gruppen an Sechserringen hängen, werden verschiedene Typen an Carotinoiden unterschieden, die auch in ihrer Färbung voneinander abweichen und somit Licht anderer Wellenlängen aufnehmen können; nicht selten nur als Farbstoff vorhanden.

Eingestellt am 14. Juni 2025

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Labyrinthula

Spindelförmige Zellen im Schleimnetz sich bewegend

Eingestellt am14. Juni 2025

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Bau der Labyrinthulomycetes, Schema (Folienstifte auf Folie; Reinhard Agerer)

Erklärungen im Bild.

Eigenem Vorlesungsmanuskript entnommen

Eingestellt am 14. Juni 2025

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Labyrinthulomycetes, Netzschleimpilze

2 Schleimfüßchen (HP)

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Thrausta[1] reichte das ewige Kriechen im Schleim!

Rundet die Zelle zum Köpfchen,

Stemmt kräftig sich ab, behält ein einziges Sagenogenetosom[2]

Mit verzweigten, feinfädigen Plasmafüßchen[3] daran.

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Halt sind sie für den Plasmabehälter[4],

Nahrungsverdauer, Laufband und Wächter zugleich.

Glucanplättchen[5] schützen dichtschließend die Kugel,

Doch Fäden[6] lassen davon sie frei.

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Locker elastisch verbunden, folgen sie jeglicher Dehnung,

Füllen entstehende Lücken sofort wieder auf

Und sorgen für ruhige Zeiten,

Damit Gameten[7] und Zoosporen[8 ]entsteh‘n.

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Füllen die Sphäre, rudern gewaltig,

Zersprengen die Wandung, irren umher.

Kein Licht lenkt sie vorwärts;

Als Blinde geboren[9], finden sie Halt nur ganz in der Näh.

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Glücklich schätzt sich, wer einen Partner findet fürs Leben,

Vereint zusammen ein Häuschen sich baut.

Manche aber meistern die Zukunft allein,

Scheren sich nicht um Sex. –

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Labyrinthula[10], Thraustochytrium[11] und viele Verwandte

Wohnen gebunden ans Meer, an salzhaltige Wässer und Böden,

Auf toten Pflanzen[12], greifen auch gern aktive als Haltesubstrat,

Nehmen Rücksicht zumeist und schädigen kaum.

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Fußnoten

[1] Thrausta: Bezeichnung für hypothetischen Vorfahren der Thraustochytriaceae

[2] Sagenogenetosom, Bothrosom (Labyrinthulomycetes): Ein in das Plasmalemma integriertes Organell, das einen Pfropf bildet zwischen dem in der Zelle liegenden Protoplasma (Endoplasma) und außerhalb der Zelle liegendem nach außen hin mit Plasmalemma begrenztem Ektoplasma.

[3] Ektoplasma (Einzeller): Äußerer, organellen- und granulafreier cytoplasmatischer Bereich des Protoplasten

[4] Protoplast, Protoplasma: Gesamter Inhalt einer Zelle

[5] Glucane: Generelle Bezeichnung für aus Zuckern entstandene Substanzen

[6] Ektoplasma

[7] Gameten: Für sexuelle Fortpflanzung vorgesehene haploide Zellen

[8] Zoosporen: Mitotisch entstandene, einzellige, eigenbewegliche Verbreitungseinheiten

[9] Ohne Augenfleck: Ohne Ansammlung von aus Carotinoiden bestehenden Pigmenten

[10] Labyrinthula: Netzschleimpilz (Labyrinthulaceae; nicht separat behandelt – Labyrinthulomycetes – Straminipila – Wimpeola – Chromalveolata –…)

[11] Thraustochytrium: Labyrinthulaceae; nicht separat behandelt (Labyrinthulomycetes – Straminipila – Wimpeola – Chromalveolata – Eukarya –…)

[12] Echte Pflanzen: Plantae (Eukarya)

Eingestellt am 14. Juni 2025

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Lebenszylus von Thraustochytriaceae: Aurantiochytrium acetophilum

A. Typische, kleine sporogene Zelle. – B. Vegetative Zelle mit ektoplasmatischen, verzweigten Fäden. – C. Sporogene, vielkernige Zellmasse, die kleine sporogene Zellen hervorbringt und ein Typ I Sporangium. – D. Tetrade vielkerniger sporogener Zellen. – E. Typische, große, vegetative Zelle, bevor sie mit Lipiden gefüllt ist. – F. Große mit Lipiden gefüllte Zelle. – G. Cyste. – H. Amoebosporangium. – I. Encystiertes Amoebosporangium. – J. Amöbospore, die sich zu einer Amöbe wandelt. – K. Zweikernige Amöbe. – L. Vierkernige Amöbe. – M. Vier einkernige Amöbosporen. – N. Type I Zoosporangium vor der Flagellenbildung. – O. Encystiertes Zoosporangium. – P. Typ I Zoosporangium mit Flagellaten. – Q. Drei Zoosporen mit ektoplasmatischem Band verbunden. – R. Jüngere, birnförmige Zoospore. – S. Ältere, rundliche Zoospore. – T. Typ II Sporangium. – U. Schwimmende, kleine, rundliche Zelle (Gamet?). – V. Beginnende Plasmogamie von zwei beweglichen Gameten. – W. Einkernige Zygote nach Karyogamie.

Pfeile deuten Entwicklungsrichtungen an. – Fragezeichen zeigen fehlende Informationen, wie (a) Gameten entstehen und wie sie zueinanderkommen und (b) wie sich die Zygote weiterentwickelt.Hier wird als Sporangium eine Anhäufung von Zellen ohne schützende Hülle verstanden.

Autor: Ganuza et al. 2019

Lizenz: Creative Commons Attribution 4.0 International license; unverändert

Eingestellt am 14. Juni 2025

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