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Capitata, Kopftentakler

1 Kurz gefasst

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Kurzgefasst, grenzen doch nur wenige

Morphologische Merkmale sie als eigenständige Unterordnung ab:

Keulenförmig meist die Polypen[1],

Mit oft köpfentragenden Tentakeln[2] daran;

Besitzen Stenothelen[3] wie Anthoathecata[4],

Legen jedoch auf Planulalarven[5] noch Wert.

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Fußnoten

[1] Polypen: Lebensstadien von Nesseltieren. Polypen haben eine Körperform, die aus einem hohlen Zylinder besteht (Hohltier) und in einer zentralen, von Tentakeln umgebenen Mundöffnung endet.

[2] Tentakel: Nesselzellenbestückte, bewegliche Fangarme der Cnidaria

[3] Stenothelen: Nesselkapseln mit stilett- oder skalpellartigen, leicht gekrümmten, messerscharfen, oft in zwei Etagen angeordneten Strukturen an der etwas verbreiterten Basis des ausgestülpten Nesselkapselschlauchs

[4] Anthoathecata: Unbehüllte Blütenhydren (Leptolina – Hydrozoa – Medusozoa – Cnidaria – Animalia –…)

[5] Planula: Birnförmige bis länglich ovale bis keulenförmige, außen bewimperte Larve der Cnidaria

Eingestellt am 23. November 2024

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Capitata Kopftentakler

2 Einzelhänger (HP,TP)

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Schier endlose Überschläge des wendigen Turners

Erstaunen, ja faszinieren

Das spannungsvoll wartende Publikum:

Weit greift er aus, findet Arm für Arm seinen Halt,

Hebt und verbiegt elastisch den Körper,

Setzt fest seinen Fuß am anderen Ort,

Löst seine Arme aufs Neue und

Wieder beginnt das artistische Spiel.

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Nur zeitlupenartig mutet das Schauspiel Zuschauer an.

Was Wunder, in Wasser nur findet die Vorführung statt;

Es dämpft die Bewegung, bewirkt sanfte Landung,

Verhilft den suchenden Armen zum nächstfolgenden Tanz.

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Vielarmig klebt sich der Künstler auch an glatteste Flächen;

Der breitsohlige Fuß – sein einziger nur –

Stabilisiert ihn beim aufrechten Stand

Am neu gewählten Aufenthaltsort.

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Winzig klein ist er, oft grün noch dazu.

Selbst in teichwasserbefüllten Aquariengläsern

Recken und strecken sich Männchen und Weibchen,

Angeln mit langen tentakelförmigen Armen[1].

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Hydra[2] heißt heute der staunenerregende Akrobat;

Hydris nennen wir einfachheitshalber den Ahnen dieser biegsamen Figur.

Wie begann womöglich sein Dasein?

Wie lebt sich an diesem für nesselnde Tiere[3] so seltsamen Ort? –

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Staatsquallen[4] sind ihre fernen Verwandten,

Doch Hydris beschritt bedeutend einfachere Wege.

Segelt nicht frei hinaus in die Welt;

Verschmäht enge Verbindung mit Tochterpolypen.

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Nimmt das Leben selbst in die Hand,

Übergibt die Fortpflanzung nicht Medusen[5], nicht Medusoiden[6].

Trägt Eizellen[7] wohlgeschützt in der Wand,

Überlässt Spermienpflege[8] dem Mann.

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Fest umschlossen warten Oocyten[9] auf schwärmende Spermatozoide,

Verbleiben befruchtet am Körper der Mutter.

Zygoten[10], mit widerstandsfähiger Theka[11] ummantelt,

Wappnen geschickt sich für lebenswidrige Zeit.

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Keine Planulalarve[12] entstammt der Zygote,

Ein junger Polyp[13] entschlüpft vielmehr,

Wächst zur endgültigen Größe und sprosst –

Clonal[14] sich vermehrend – junge Polypen aus seiner Seite hervor.

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Worin liegt der Vorteil, den Hydris[15] klug für sich nutzte?

Wofür legte sie ab eigenbewegliche Larven[16], befreite Medusen?

Wozu hält sie Eizellen fest in der Tasche,

Hüllt Zygoten mit zerzaustem Schutzmantel ein?

Warum wandert kopfüber kopfunter sie, den Halt nie verlierend,

Nur schrittchenweise zu neuem Revier? –

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Am Meeresrand ist Hydris das Polypengedränge zu dicht,

Der tödlichen Feinde Nähe, viel zu groß die Gefahr.

So zieht sie hinein in die Mündung der Flüsse,

Stemmt sich der Strömung mit Armen und Beinen[17] entgegen.

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Wer sich beim Klettern zuverlässigen Halt stets bewahrt,

Auch während des Griffwechsels an steiler Wand,

Sorgt heftig rüttelnder Strömung vor, auch tödlichen Stürzen,

Erreicht wohlbehalten auch ein fernliegendes Ziel.

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Über viele Generationen hinweg währende Fehlversuche nahm Hydris in Kauf,

Bis letzte Versuche den Körper tief genug beugten,

Den Untergrund Arme fest ergriffen,

Zugleich der Fuß sicheren Stand nicht verlor.

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Einmal erfunden, klonierte Hydris millionenfach dieses Patent.

Selbst Teile von ihr, von Wellen zerschlissen,

Wachsen zu neuen, regenerierten Polypen heran,

Die verblüffende Lösung für immer zu sichern.

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So rettet sich Hydris in stilleres Wasser,

Gewährt geschlechtszellbestückten Medusen aber weiterhin Freiheit,

Verliert jedoch später jegliche Qualle[18], jeden durch Sex entstandenen Nachwuchs

Durch heftige Strömung zum Meer.

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Auch Verwandte verzichteten früh auf Planulas schon.

Umhüllten Zygoten entschlüpften Minipolypen,

Setzten sich fest am Ort der Geburt.

Nur Hydris‘ Polypen gehen auf Wanderschaft.

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Wie viele Generationen es brauchte,

Medusen in Medusoide umzugestalten,

In einfache Sporensäcke[19] zu wandeln,

Eizellen direkt in die Wand des Polyps dann zu integrieren,

Zygoten für längere Zeit bei sich zu behalten,

Nicht zu verlieren, ist nicht bekannt.

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Doch, jeder der Schritte brachte Hydris dem großen Erfolg ein Stück näher,

Bis lange vor unserer Zeit Hydris Hydra gebar,

Die wandzerklüftete Dauerzygote[20], ufernah fest sich verankernd,

Für Jungpolypen strömungsberuhigten Zufluchtsort fand. –

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Der grünen Hydra, der Viridis[21], waren die Fänge manchmal zu knapp,

Angelte, Nahrung trickreich ergänzend,

Chlorellen[22] aus dem fließenden Wasser,

Verdaute sie nicht – nahm in Zellen sie auf[23].

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So bringen auch wenig belebte Bäche Viridissima[24] kaum noch Probleme.

Bleiben die Angeln[25] mitunter auch leer,

Wendet sich Hydra, zielstrebig wandernd,

Auf weichsohligem Fuß und Armen dem lichten Halbschatten zu.

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Flüsse, Bäche, damit verbundene Seen, wählt Hydra zur künftigen Heimat,

Doch Pfützen, Weiher und Teiche sind oft zu weit für Hydren entfernt.

Sie warten auf Wind, auf stürmisches Wetter:

Mit Wasser vermischte Zygoten treiben dann über Land;

Warten vielleicht auf moderne Vehikel

Für Transport als blinde Passagiere dorthin.

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Fußnoten

[1] Tentakel: Nesselzellenbestückte, bewegliche Fangarme der Cnidaria

[2] Hydra spp. (Capitata – Anthoathecata – Leptolina – Hydrozoa – Medusozoa –…)

[3] Cnidaria: Nesseltiere (Animalia – Opisthokonta – Eukarya)

[4] Staatsquallen: Siphonophorae (Leptolina – Hydrozoa – Medusozoa - Cnidaria – Animalia –…)

[5] Medusen, Quallen: Ein freischwimmendes, schirmförmiges Lebensstadium der Nesseltiere

[6] Medusoide: An Polypen festsitzende, reduktiv abgewandelte Medusen

[7] Eizellen: Unbewegliche, nährstoffreiche, weibliche, haploide Keimzellen

[8] Spermatozoide, Spermatozoen, Spermien: Reife, haploide Keimzellen; Gameten, die im Normalfall zu eigenständiger Bewegung fähig sind

[9] Oocyte: Eizelle

[10] Zygote: Diploide Zelle, die nach der Verschmelzung zweier haploider Kerne im Zuge der sexuellen Fortpflanzung entstand

[11] Periderm: Chitinöse Hülle von Polypen

[12] Planula: Birnförmige bis länglich ovale bis keulenförmige, außen bewimperte Larve der Cnidaria

[13] Polypen: Lebensstadien von Nesseltieren. Polypen haben eine Körperform, die aus einem hohlen Zylinder besteht (Hohltier) und in einer zentralen, von Tentakeln umgebenen Mundöffnung endet.

[14] Clonale Vermehrung: Asexuelle Vermehrung (rein mitotisch bedingte Vermehrung, daher Individuen genetisch identisch)

[15] Name für hypothetischen Vorfahren

[16] Larven: Jugendstadien von Tieren, die sich grundsätzlich vom Erscheinungsbild Erwachsener unterscheiden und erst nach einer Metamorphose Adultgestalt annehmen

[17] Tentakel

[18] Quallen: Schirm- oder glockenförmige Nesseltiere

[19] Sporensäcke (Hydrozoa, Cnidaria): Stark abgewandelte Medusoide (Cryptomedusoid, Heteromedusoid, Styloid) als Träger von Gameten

[20] Dauerzygote: Zygote, die der Überdauerung dient, meist gekennzeichnet durch dicke, widerstandsfähige, oft auch dunkle Wand

[21] Grüne Hydra: Hydra viridissima (Capitata – Anthoathecata – Leptolina – Hydrozoa – Medusozoa –…)

[22] Chlorella (Chlorococcales – Chlorophyceae – Chlorophyta – Plantae – Eukarya)

[23] Endosymbiont: Aufgenommener, womöglich etwas abgewandelter Organismus, der zu seinem und zum Vorteil des Herberggebers in der fremden Zelle lebt

[24] Hydra viridissima

[25] Tentakel

Eingestellt am 23. November 2024

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Grüne Hydra, Hydra viridissima

Autor: Frank Fox

Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Germany license; unverändert

Eingestellt am 23. November 2024

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Capitata, Kopfentakler

3 Unechte Feuerkorallen

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Drei Hauptmerkmale offenbaren Trivial- und wissenschaftliche Namen:

‚Feuer‘, weil brennende Schmerzen entsteh’n, trifft das Cnidom[1] menschliche Haut,

‚Korallen‘, weil Kalk[2] wie Steinkorallen[3], sie bilden und auf Kalkkorallenriffen leben,

‚Millepora‘, durchstechen doch winzige Poren der Millepora Aragonitgerüst[4].[5]

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Sich festsetzende Planulalarven[6]

Entwickeln zunächst ein dreidimensionales Stolonengeflecht[7]

Dünnster Röhren, die, Kalk absondernd,

Unterlagen mit kaum millimeterdicker Schicht überzieh’n.

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Manche Arten bedecken mit Krusten, worauf sich die Planula setzte;

Andere wachsen, reich sich verzweigend, wie Strauchkorallen weg vom Substrat,

Formen allmählich einige Dezimeter hohe Polypenstöcke[8];

Zweidimensional bleibt eine letzte Gruppe, zieht kalkige Platten als Mauern empor.

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Ektoderm[9] bedeckt oben-außen die Kalksysteme;

Wo es auf winzige, eng stehenden Poren trifft,

Besteht Verbindung zum mikroskopisch kleinen Polypen[10],

Der mit Gastroderm[11 ]seiner Stolonen Verbindung hält.

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Trimorph[12] erweisen sich Milliporas Polypen:

Fresspolypen[13], kurz und gedrungen, mit den andern verglichen recht groß,

Stehen vier bis sieben kurze, keulige oder kopfige Fangarme[14]

Rund um den beuteempfangenden Mund[15];

Darauf allein sind Milliporen allerdings nicht angewiesen,

Hüten sie Zooxanthellen[16] doch in Zellen des Ektoderms.

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Wehrpolypen[17], kleiner und schlanker als die Ernährer,

Sitzen um sie zu fünft, oft bis zu siebt,

Tragen unregelmäßig angeordnete, gleichgeformte Tentakel,

Verzichten, der Spezialisierung wegen, auf ihren Mund.

Zwei Nesselzelltypen[18] bestücken die wehrenden Arme[19]:

Stenothelen[20] und Mastigophoren[21] umfasst das Waffenarsenal.

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Blastostyle[22] steh’n in des Kalkskeletts Kammern,

Knospen freischwimmende, velumlose[23] Medusen[24] ab,

Ausgestattet noch mit Radial- und Ringkanälen,

Fangarme[25] und Sinnesorgane fehlen jedoch.

Irgendwie wollen sie dennoch sich wehren:

Bestücken mit Nesselzellen dafür den Schirm.

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Ihr kaum hervorgehob’nes Manubrium[26] trägt die Gonaden[27],

Entlässt Oocyten[28] ins Wasser, andere Spermien[29] dazu;

Eine Planulalarve, daraus entstanden,

Setzt sich an Gegenständen irgendwann fest.

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In tropischen[30] und subtropischen[31] Meeren des

Pazifiks, Atlantiks und Indischen Ozeans

Leben Unechte Feuerkorallen

Auf Korallenstöcken nahe dem Licht,

Geh‘n wegen symbiontischer Zooxanthellen

Nicht tiefer als vierzig Meter hinab.

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Fußnoten

[1] Cnidom: Gesamtheit der Nesselzellen(typen)

[2] Kalk: Calciumcarbonat [CaCO3]

[3] Steinkorallen: Scleractinia (Hexacorallia – Anthozoa – Cnidaria – Animalia – Opisthokonta –…)

[4] Aragonit: [Calciumcarbonat, CaCO3]; Mineral der wasserfreien Carbonate ohne fremde Anionen; kristallisiert im orthorhomischen Kristallsystem mit der chemischen Zusammensetzung Ca[CO3]; löst sich leichter in Säuren als Calcit;https://www.chemie.de/lexikon/Calcit.html; nähere Erklärung dort

[5] Unechte Feuerkorallen: Millepora spp. (Milleporidae; nicht behandelt – Capitata – Anthoathecata – Leptolina – Hydrozoa –…)

[6] Planula: Birnförmige bis länglich ovale bis keulenförmige, außen bewimperte Larve der Cnidaria

[7] Stolonen: Basale hohle Ausläufer, die benachbarte Polypen miteinander verbinden

[8] Polypenstock: Aussehen einer Kolonie, doch sind die einzelnen Individuen über ein gemeinsames Gewebe verbunden, unterscheiden sich darin von Kolonien, die durch dichte Siedlung einzelner Individuen gekennzeichnet sind

[9] Ektoderm: Äußeres Keimblatt der Embryogenese; im Zuge der Gastrulation außen verbliebene Zellschicht der Blastula

[10 ]Polypen: Lebensstadien von Nesseltieren. Polypen haben eine Körperform, die aus einem hohlen Zylinder besteht (Hohltier) und in einer zentralen, von Tentakeln umgebenen Mundöffnung endet.

[11] Gastrodermis, Gastroderm: Epithel des Verdauungstraktes

[12] Trimorph: In drei verschiedenen Formen

[13] Fresspolypen, Nährpolypen: Typische, mit Fangtentakel versehene, sich mit Beute versorgende Polypen

[14] Tentakel: Nesselzellenbestückte, bewegliche Fangarme der Cnidaria

[15] Mund-After-Öffnung: Körperöffnung, die zugleich als Mund und After verwendet wird

[16] Zooxanthellen: Endosymbionten in einer Reihe von Lebewesen. Bei den Zooxanthellen handelt es sich meistens um Dinoflagellaten; aber auch um Chrysomonden, Cryptomonaden, Chlorococcales oder Diatomeen kommen vor

[17] Wehrpolypen: Polypen mit einziger Aufgabe Prädatoren zu schädigen oder zumindest abzuschrecken

[18] Nesselzellen, Cnidocyten: Zellen in der Epidermis der Cnidaria, zum Beutefang und zur Abwehr dienend; bei Reizung wird ein Nesselschlauch ausgeschleudert, der häufig ein hochwirksames Gift in das Opfer injiziert

[19] Tentakel

[20] Stenothelen: Nesselkapseln mit stilett- oder skalpellartigen, leicht gekrümmten, messerscharfen, oft in zwei Etagen angeordneten Strukturen an der etwas verbreiterten Basis des ausgestülpten Nesselkapselschlauchs

[21] Mastigophoren, Rhabdoiden: Nesselkapseln mit rundum etagiert angeordneten Mastigonemen in der unteren Hälfte des ausgestülpten Nesselkapselschlauchs

[22] Blastostyl: Polypen ohne Mund-After-Öffnung, und ohne Tentakel, deren Aufgabe es ist, Medusen zu bilden

[23] Velum: Bildung der Subumbrella; besteht lediglich aus einer Ektodermfalte unter Beteiligung der Mesogloea

[24] Medusen, Quallen: Ein freischwimmendes, schirmförmiges Lebensstadium der Nesseltiere

[25] Tentakel

[26] Manubrium: Lange Röhre als Fortsetzung des Magens und Träger der Mund-After-Öffnung

[27] Gonaden: Geschlechtszellen bildende Organe

[28] Oocyten, Eizellen: Unbewegliche, nährstoffreiche, weibliche, haploide Keimzellen

[29] Spermatozoide, Spermatozoen, Spermien: Reife, haploide Keimzellen; Gameten, die im Normalfall zu eigenständiger Bewegung fähig sind

[30] Tropen, tropisch: Klimazone zwischen Äquator und Wendekreisen

[31] Subtropen, subtropisch: Klimazone zwischen Wendekreisen und gemäßigtem Klima

Eingestellt am 23. November 2024

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Cniden-Typen: Auswahl (Tusche; Reinhard Agerer)

Von links nach rechts:

Spirocyste, Klebkapsel: Der nach Explosion umgestülpte Schlauch ragt als gerades Stück aus der Cnide, dem, spiralig nach rückwärts wickelnd, sich sein erheblich längerer Teil anschließt und mit klebriger Masse umgeben ist; in der unentladenen Cnide, liegt der Schlauch schraubig um den geraden Teil

Haploneme Isorhize: Der nach Explosion umgestülpte Schlauch ragt als gerades Stück aus der Cnide; in der unentladenen Cnide liegt der Schlauch schraubig

Haploneme Anisorhize: Der nach Explosion umgestülpte Schlauch ragt enggeschraubt Stück aus der Cnide, in Seitenansicht ist die Schraubung kaum mehr erkennbar; in der unentladenen Cnide liegt der Schlauch schraubig

Rhaboide, Mastigophore: Nesselkapseln mit rundum etagiert angeordneten Mastigonemen in der unteren Hälfte des ausgestülpten Nesselkapselschlauchs; in der unentladenen Cnide, liegt der Schlauch schraubig um den geraden Teil

Eurythele: Nesselkapselschlauch mit zwei unterschiedlichen Bereichen, wenn explodiert: Basal mit kurzem, geradem Anteil, an dem weit spiralig ein Haarkranz emporläuft, an den sich ein engschraubiger Schlauch anschließt, dessen Schraubung in diesem Zustand in Seitenansicht kaum mehr erkennbar ist; in der unentladenen Cnide, liegt der basal gegabelte Schlauch als Rolle

Stenothele: Nesselkapseln mit stilett- oder skalpellartigen, leicht gekrümmten, messerscharfen, oft in zwei Etagen angeordneten Strukturen an der etwas verbreiterten Basis des ausgestülpten Nesselkapselschlauchs; in der unentladenen Cnide, liegt der basal ungegabelte Schlauch als Rolle

Zeichnung aus Westheide & Rieger, Seite 124, Abb. 193 (Auswahl)

Eingestellt am 23. November 2024

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Capitata, Kopftentakler

4 Flotille (HP)

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Blaue Flossen überragen die schimmernde Fläche des Meeres.

Ein Windhauch bläst sie breitseits voran,

Näher und näher der wasserumspielten sandigen Küste –

Nicht Flossen, Segel treiben die Flotte an Land!

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Neugierig bückt sich der Jogger

Nimmt achtsam das liegende Segel zur Hand:

Weichglitschige Fäden und Stümpfe

Quellen zwischen den Fingern hervor.

Überrascht lässt er Unfassbares fallen,

Trocknet und wischt die bitzelnde Hand.

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Woher kommen die Scharen seltsamer Quallen?

Ihr Blau wie das Meer, die bizarre Gestalt,

Das Treiben auf offener See?

Wo war ihr Anfang, wer kennt die verschlungenen Wege, dieses exotischen Wesens? –

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Wiederholt sucht Levella[1] vergeblich

Im dicht mit Polypen[2] bewucherten Benthos[3]

Sich einen günstigen Platz zu ergattern;

Verengt die Mulde des Fußes[4], noch winzigste Stellen fassen.

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Schon die Planula[5] mühte sich ohne Erfolg,

Gestaltete schwebend sich zum Polypen gleich um.

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Kopfüber, kopfunter treibt glücklos Levella im Wasser,

Durchzieht, ununterbrochen fischend, Salzwasserfluten und –

Beim Durchkämmen der obersten Schicht nach Algen[6],

Befüllt eine Sauerstoffperle ihren zur Höhlung vertieften Fuß.

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Glückt es, die Perle dort zu erhalten,

Besonders, des Fußes Form den Nachkommen zu geben,

So hingen Levellas Polypen für immer

Kopfüber hinein in das Meer.

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Algen in Hülle und Fülle umgeben Levellas Tentakeln[7],

Denn Licht ist das Leben der Algen und lebend spenden sie Nahrung den andern.

Durch Innovation entdeckte Levella neu eine Nische,

Lebt lange konkurrenzlos der Zukunft entgegen.

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Künftige Nachkommen steigern den Halt an der Ozeanfläche.

Umstellen die Perle mit luftundurchlässigen Lagen Periderms[8],

Verzweigen röhrig den Gasraum, formen ihn zur rundlichen Platte,

Nur überragt vom luftwärts verlängerten Fuß.

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Auch er ist durchzogen vom Röhrensystem;

Unterstützt mit luftiger Leichtheit den Auftrieb des Floßes;

Stemmt sich zwar Winden und Wellen entgegen,

Doch treibt das Luftkissen unaufhaltsam dahin.

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Fischend fährt das Boot zwischen Algen und kleinem Getier.

Die Angeln[9] biegen sich, andauernd pendelnd,

Zurück zum schlürfenden Hydropolypenmund[10],

Mästen Levella, drängen zur Knospung im gleitenden Floß.

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Tentakelgleich sprießen tief in das Wasser,

Schmal schlauchförmig neue Polypen hinein,

Neben dem mächtig erweiterten Mund des ersten Polypen;

Umgeben unterseits in Kreisen das Zentrum des Boots.

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Dactylozoide[11 ]der äußeren Kreise,

Dicht mit Tentakeln besetzt,

Führen von nun an Beute zum weit geöffneten Mund,

Verteidigen zugleich wehrhaft das driftende Schiff.

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Nährpolypen[12], hin zum Zentrum orientiert,

Entsprießen, dem Schutzraum entschlüpfend, Minimedusen[13],

Sorgen, sexuell sich vermehrend,

Für Wahrung der neu gefund’nen Gestalt.

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Nicht immerfort driftet Levella im dichten Algengetümmel,

Gleitet auch oft in nährstoffarmen Gewässern dahin.

Verbreitert sich der Mast des Bootes auch nur ein wenig,

So jagten die Floße schneller über ausgedehnte Weiten dahin.

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Beidseits entwachsen Levellas luftigem Fuß

Stolonen, mit Luftkammern und mit Gastrodermis[14] durchzogen,

Formen ein Segel als flächige Wand:

Levella wandelt sich so zur blauen Velella[15], zur segelnden Qualle im Meer.

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Levella ging dem Meere verloren,

Nur Velellas blauschimmernde Segel

Begleiten meilenweit

Jedes atlantiküberquerende Schiff.

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Schwärme von Segelquallen befahren noch heute die See,

Nur einen winzigen Teil davon wehten Winde ans Land.

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Fußnoten

[1 ]Name für einen hypothetischen Ahnen

[2] Polypen: Lebensstadien von Nesseltieren. Polypen haben eine Körperform, die aus einem hohlen Zylinder besteht (Hohltier) und in einer zentralen, von Tentakeln umgebenen Mundöffnung endet.

[3] Benthos: Gesamtheit der über, auf oder im Grund oder im Uferbereich von Gewässern lebenden Organismen

[4] Fußscheibe, Fußplatte: Der flächig verbreiterte Anheftungsbereich des Fußes

[5] Planula: Birnförmige bis länglich ovale bis keulenförmige, außen bewimperte Larve der Cnidaria

[6] Algen: Eine organismenreichübergreifende Bezeichnung für überwiegend im Wasser lebende Thallophyten

[7] Tentakel: Nesselzellenbestückte, bewegliche Fangarme der Cnidaria

[8] Periderm: Chitinöse Hülle von Polypen

[9] Tentakel

[10] Mund-After-Öffnung: Körperöffnung, die zugleich als Mund und After verwendet wird

[11] Dactylozoide, Wehrpolypen: Polypen mit meist einziger Aufgabe Prädatoren zu schädigen oder zumindest abzuschrecken

[12] Nährpolypen, Fresspolypen: Typische, mit Fangtentakel versehene, sich mit Beute versorgende Polypen

[13] Medusen, Quallen: Ein freischwimmendes, schirmförmiges Lebensstadium der Nesseltiere

[14] Gastrodermis, Gastroderm: Epithel des Verdauungstraktes

[15] Velella velella: Segelqualle (Porpididae; nicht behandelt – Capitata – Anthoathecata – Leptolina – Hydrozoa –…)

Eingestellt am 23. November 2024

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Oben: Velella velella, Segelqualle

Autor: yakafaucon

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Unten: Velella velella, Segelqualle

https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Velella_Bae_an_Anaon.jpg

Autor: Jymm

Lizenz: Public domain; unverändert

Eingestellt am 23. November 2024

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