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Hyphochytriomycetes, Hyphochytriopilze

1 Voran ohne Peitsche

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Oft zwingt Ressourcenverknappung[1] zum Ändern vormals bewährter Systeme.

Gezieltes Überlegen aber, strategisches Denken, sind evolutiven Vorgängen fremd;

Doch Folgegenerationen verspüren ständig den Druck,

Sparsamst beschränkte Mittel zu nutzen. –

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Am wenigsten vermisst wohl der Schwärmer[2],

Weil ohnehin recht kurz schon geraten,

Die unbeflimmerte Geißel[3],[4].

Kaum merklichen Druck nach hinten noch bringend,

Verliert sie die Wertung von Kosten und Nutzen und

Opfert sich;

Folgt damit ökonomischem Zwang.

Nur die Basis bleibt der Zelle erhalten;

So bleibt als einzige wirksame Geißel das

Wimperflagellum[5] für kräftigen Schub. –

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Stickstoff, dazu wohl Phosphat[6],

Begrenzten als knapp bemessenes Gut

Ihr traditionell verlaufendes Leben.

Cellulose[7] lagern Hyphochytriomyceten

In die Wände ihrer Behälter

Verstärkt mit Chitin[8].

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Vergrößern sich laufend mit Hilfe

Gelöster Nährelemente des nahen Umfelds.

Zergliedern intern sich zu wimpergeißligen Sporen

Als Anfang der nächsten Generation;

Opfern den Sporenbehälter selbstlos auf,

Denn Schwärmer lassen als leere Hülle, worin sie entstanden, zurück.

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Nicht Schleimfüßchen[9] halten die größer werdenden Sphären:

Rhizoide[10] mit dünnsten Wänden verankern sie in der Umgebung,

Dringen ein in Abgestorbenes,

Verschmähen auch Lebendes nicht.

Wachsen schneller, vergrößern sich rasch,

Sind Ursprung von Herden eingeißliger Schwärmer.

Nach ihrem Abschied vom Ort der Geburt

Vergeht das letzte Erinnerungsstück.

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Ein Schwärmer, daraus eine Cyste[11], nur ein Behälter mit Sporen. –

Auf eine einzige Karte wird so alles gesetzt!

Werden Schwärmer zur Unzeit geboren,

Sind alle – ist alles – ist ihre Zukunft verloren.

Risikostreuen[12] ist diesen holokarpen[13] als

Prinzip der Evolution offensichtlich noch nicht bekannt.

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Doch manch ein Vertreter hat einen Traum vom ewigen Leben:

Treibt neben feinsten Verankerungsfäden[14] auch

Lange und dicke[15] aus ihrer Sphäre hervor,

Verzweigt sie zögerlich, dann aber mehrfach,

Trennt je eine Kugel am Ende dann ab

Für viele genbewahrende, -transportierende, Zoosporen.

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Wachsen flugs wieder aus, neue Behälter zu bilden und

Streuen, klug für Weiterentwicklung, das Risiko;

Denn mehrfach entstehen Flagellatenbehälter[16],

Aber ein Schwärmer nur war am Beginn.

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Doch wo bleibt der evolutive Erfolg?

Kaum vier Dutzend Hyphochytriomyceten sind heute bekannt.

Leben sie vollkommen verborgen?

Waren vielleicht zu wenig variabel die Gene, zu konservativ?

Blieben sie kaum verändert,

Aufgrund fehlender Sexualität[17]?

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Fußnoten

[1] Ressourcen: Natürlich vorhandene Bestände von etwas, was zum Fortkommen, zum Leben, benötigt wird

[2] Schwärmer: Allgemeiner Ausdruck für begeißelte, bewegliche Zelle (Zoospore oder Gamet)

[3] Flagellum, Geißel (Eukaryageißel): Charakterisiert durch ihren internen Bau aus 9 peripheren, etwas schräg nach innen gestellten Doppelmikrotubuli (Querschnitt durch die Geißel) und durch ein zentrales Tubulipaar, das etwas Abstand voneinander hält. Dyneinarme verbinden die Mikrotubuli. Die Geißel ist von der Zellmembran umgeben und gefüllt mit Cytosol. Am Übergang der Geißelbasis in den Zellkörper treten spezielle Verstrebungen, Verstärkungen, auf; eine dünne Querplatte trennt oft den untersten, in die Zelle integrierten Teil, der in seiner Struktur einem Centriol entspricht: Es fehlen die beiden zentralen Mikrotubuli und die peripheren Zwillinge wurden zu Drillingen. Die in der Zelle gelegenen Teile der Geißel sind noch durch verwandtschaftsabhängig gestaltete Haltestrukturen verwurzelt.

[4] Peitschengeißel: Als Peitschengeißel wird die nach hinten schlagende, unbewimperte Geißel der heterokont begeißelten Organismen bezeichnet.

[5] Flimmergeißel: Eine Geißel, die mit Mastigonemen besetzt ist

[6] Phosphat, [PO43−]: Als Ion vorliegend, oder an andere Atome oder Moleküle gebunden

[7 ]Cellulose: Unverzweigte Ketten aus Glucose in β-1,4-Verknüpfung; wobei der 6C-Zucker Glucose in Ring-Form geschrieben, das C1 der Aldehydgruppe ist [CH2OHCHOHCHOHCHOHCHOHCHO], davon aus gerechnet ist der vierte Kohlenstoff das C4 ist. In Ringform geschrieben weist die OH-Gruppe des C1 nach oben, wie auch die frei gebliebene CH2OH-Gruppe. Die OH-Gruppen wechseln von 1 bis 4 die Stellung: C1 nach oben, C2 nach unten, C3 noch oben, C4 nach unten, an C5 hängt die nach oben stehende CH2OH-Gruppe.

[8] Chitin: Polymer aus N-Acetyl-Glucosamin, entstanden aus 1,4-β-Glucosen, an deren C2 eine [–NHCOCH3]-Gruppe hängt; anders ausgedrückt, an deren C2 eine [–NH2]-Gruppe, eine Aminogruppe, hängt, bei der ein Wasserstoffatom durch ein Acetyl [–COCH3] ersetzt ist. Zellwandpolysaccharid der Fungi (Echte Pilze), einiger Cnidaria (Nesseltiere) und Exoskelett der Arthropoda (Gliederfüßer)

[9] Schleimfüßchen: Fadenförmige, verzweigte Fäden aus Ektoplasma

[10] Rhizoide: Fadenartige, wurzelähnliche, trichale oder unseptierte Auswüchse zum Festheften von Thallophyten

[11] Cyste: Mit widerstandsfähiger Wand umgebene Überdauerungsform von Zellen, von mehrzelligen Gebilden, gar von winzigen Organismen

[12] Risikominimieren, Risikostreuen: Ein entscheidendes Prinzip der Evolution. Um Verluste an möglichen Nachkommen möglichst zu reduzieren, haben sich erfolgversprechende Strategien entwickelt; z. B. Risikostreuen, was bedeutet, nicht alles auf eine Karte zu setzen, nicht alle Sporen, Samen oder Früchte, auf einmal reifen zu lassen und in einem Schub zu verbreiten. Zeitliche Streuung z. B. erhöht die Wahrscheinlichkeit, günstige Zeiten für die Verbreitung durch Vektoren zu treffen, oder Perioden für günstiges Wachstum oder fürs Überleben, etc. Freilich wird dabei während eines Zeitpunktes die Menge der Verbreitungseinheiten geringer, doch am Ende wird sich diese Strategie evolutiv für den Organismus lohnen. Wenn aber Organismen fürs Wachstum auf zeitlich beschränktes Vorkommen günstiger Bedingungen angewiesen sind, wird eine explosionsartige Vermehrung die günstigste Lösung sein; in diesem Zusammenhang sind dann schnell reagierende Nebenfruchtformen mit ihren asexuell entstandenen Verbreitungseinheiten von Vorteil, z. B. dann, wenn ein Substrat (Stärke, Zucker, Partner eines Symbionten, Wirt eines Parasiten) stark umworben ist oder nur kurzzeitig zur Verfügung steht. Dieses Risikostreuen ist vergleichbar mit der Risikominimierung, die Aktieninhaber anwenden, wenn sie unterschiedlichste Aktien in ihrem Portfolio sammeln.

[13 Holokarp: Für die Fortpflanzung wird der ganze Körperinhalt aufgebraucht, somit kann sich diese Einheit nur einmal vermehren.

[14] Rhizoide

[15] Hyphen: Einzellreihige, zellwandumgebene Fäden von Pilzen mit Spitzenwachstum, mit oder ohne Querwände

[16] Flagellat: Begeißelter, einzelliger Organismus; oder als Eigenschaft: mit Geißel versehen

[17] Geschlechtliche, sexuelle Fortpflanzung: Dafür sind drei Vorgänge miteinander gekoppelt, Meiose (abgekürzt mit R!), Plasmogamie (Zellen vereinen sich, abgekürzt mit P!) und Karyogamie (Kerne verschmelzen, abgekürzt mit K!), wobei P! und K!, mit Ausnahme bei Dikarya, unmittelbar aufeinander folgen. Bei Dikarya (Unbegeißelte Chitinpilze – Fungi – Opisthokonta – Eukarya) sind beide Vorgänge unterschiedlich lang (weit) voneinander getrennt. Da bei Animalia und Plantae P! und K! unmittelbar aufeinander folgen, werden beide Vorgänge häufig zu Befruchtung (B!) zusammengefasst.

Eingestellt am 14. Juni 2025

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